Freitag, 11. Dezember 2009

131.450 €

Der Thonet Freischwinger S 43 ist das edle Sitzgerät der neuen Campus-Bibliothek. Zugegeben, schick sieht er aus, der Klassiker von Mark Stam. Aber das ist nur die halbe Wahrheit. Es ist kein Geheimnis, dass Markenprodukte nicht immer das halten, was ihr Image suggeriert... Und bei der Planung und Bestückung eines solchen Prstigeprojektes wie der neuen Bibliothek kommt es eventuell (wie im Bausektor üblich) zu Interessenkonflikten. Beide Aspekte komme nun in einem bipolaren Worstcase zusammen, wenn es um die Bibliotheksstühle der Campusbibliothek geht.
Bei 550 Sitzplätzen rechne ich, da ich nirgends Bierbänke gesehen habe, mit 550 Stühlen, die angeschafft wurden. Sofern Thonet die Stühle nicht als Mängelexemplare gespendet hat und ausgehend von einem Listenpreis von 239,- € pro Stuhl sowie einem hoffentlich erzielten Mengenrabatt von 10 % macht das immernoch 118.305,- €, die als Stuhlgeld umgesetzt wurden. Bei einem solchen Betrag wäre es meiner Ansicht nach ratsam gewesen, ein Exemplar ausgiebig zu Testen. Aber die Markenblindheit hat da wohl den Einkäufer (bzw. die Einkäuferin) geschlagen. Der S 43 hat ein für einen Stuhl gravierendes Problem: Bei der kleinsten Arschbackenkontraktion quietscht er, dass es einem durchs Hirn schießt, ganz zu schweigen von den Geräuschen beim Aufstehen und Hinsetzen. Steckt darin etwa ein unterschwelliger Zwang zum Stillsitzen? Hatte Mark Stam ADS und zwang sich so zur Ruhe? Oder hielt man etwa dieses Knarzen und Kratzen für eine angemessene, postmoderne Geräuschkulisse die die Bibliotheksatmosphäre auflockern sollte? Ich zweifle jedenfalls am Verstand der Planer und Planerinnen und prangere die Verschwendung von Studiengebühren und Steuergeldern an. Zudem sind erste unangenehme Folgen aufgrund des entstandenen Lochs im Finanzhaushalt der Campusbibliothek zu spüren: Die Putzkraft, die nachts um drei kommt ist offensichtlich derart unterbezahlt, dass sie "lediglich die Papierkörbe leert" (O-Ton einer Mitarbeiterin). Wer als Benutzer klebrige Arbeitsflächen vorfindet, muss diese selbst reinigen. Dafür ist an der Auskunftstheke ein feuchter rosa Lappen erhältlich, der auch schon bessere Tage gesehen hat. "Herzlich willkommen in der modernsten Bibliothek Deutschlands. Wir wünschen ihnen einen angenehmen Aufenthalt, in dringenden Fällen, dürfen Sie sich setzen."

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