Dienstag, 12. April 2011

Entwaffnende Logik

Das Leben ist so einfach, wenn man Schülertexten glauben darf. Aus alltäglichen Vorkommnissen werden logische Schlussfolgerungen gezogen, dass es eine wahre Freude ist und ein Fünkchen Hoffnung für eine verloren geglaubte Generation aufkeimt.
So können wir in einem fiktiven Tagebucheintrag folgendes lesen:

"Als ich dann gesagt bekommen habe das mich ein Mann namens Ehrenfried Walter von Tschirnhaus beaufsichtigen sollte, dacht ich mir schon, dass ich mit ihm versuchen sollte weißes Gold herzustellen."

Klar. Was sonst.

"Als er mir verriet, dass er Naturforscher und Physiker ist bestätigte sich meine Frage von allein."

Ich bin erleichtert.

Dienstag, 1. März 2011

Kunst für Anfänger

Nach langer Zeit öffnete ich heute mal wieder unser Blog. Nicht, dass ich damit rechnete, dass jemand gebloggt hätte, nein, es war eher eine Art Ablenkungsmanöver vom Ernst des Lebens. Der naht mit großen Schritten und in Form eines zweiten Staatsexamens. Da dieses mir keine Zeit für einen aktuellen Artikel gibt, habe ich einen vor einigen Monaten entworfenen Artikel ausgesucht, den ich nun hier veröffentliche.
Und wieder mal ist es ein Artikel über die Schule. Und wieder sind es die SchülerInnen und ihre perfekten Antworten, über die ich blogge. Thema ist diesmal ein Grundwissenstest in Klasse 10. Als Primärfarben werden da Rot, Blau und Grün benannt. Denen werden die Komplementärfarben Grün, Orange und Rot zugeordnet. Auch Schwarz und Weiß sind im Angebot. Natürlich kennt man Künstler vor 1900. Als typische Vertreter dieser Zeit werden Kandinsky, Hundertwasser, Max Ernst und Picasso genannt. “Michell Angelo” kennt man aber auch. Nach 1900 haben eigentlich nur Dürer und Bob Ross gearbeitet. Mit ähnlichem Niveau und Erfolg. Wahrscheinlich heißen die Epochen ihrer Arbeit "Barrock" und "Renesance". Beliebtester Künstler ist Leonardo da Vinci, denn er hat die “Mona Lisa gemalt u. sich das Ohr abgeschnitten”. Auf etwa gleicher Stufe steht Frank Elzner, der scheinbar “tolle Drachenbilder mit vielen Details” herstellt. Da kann man selbst noch viel lernen. Die einzige bekannte Drucktechnik neben “Plexiglas” und der “Kalknadelradierung” ist der Kartoffeldruck. Auch die eigenen Kunstdefinitionen sind interessant. “Kunst ist alles was mit Farbe zusammenhängt.” Kunst bedeutet “viel zeichnen, creativ arbeiten...” “Kunst ist das was entsteht, wenn man träumt.” Da muss noch viel getan werden.

Donnerstag, 14. Oktober 2010

Schwarzackerteilrevival



So sitzen wir nun wieder zusammen: Vier von uns, der harte Kern, älter geworden, im Berufsleben verankert oder auch between Jobs trafen sich in der Oberlausitz. Von Anti-Stress-Gesichtsmasken verhüllt, entspannen wir uns, genießen die ländliche Ruhe und atmen tief die passenden Gerüche. Ein Pferd schaut ins Fenster und die Kleiber haben in diesen Breiten auch noch Weiber. Derzeit liegt uns die Tschechenpizza schwer im Magen: Wer kann schon wissen, dass Anchovis Fische sind? Den Tag vertrieben wir uns mit hintergründiger Dichtkunst, unterschichtigem Fernsehen und ausgedehnten Spaziergängen. Gutes Essen, selbstgebackener Käsekuchen und treuherzige Bauern auf Brautschau ließen die Zeit wie im Fluge vergehen. Morgen gehen wir schon wieder getrennte Wege, steuern die nächsten Stationen auf der Liste an: Zwei von uns werden ins alte Leipzig zurückkehren, dem Geruch des Landes den Rücken kehren, shoppen, demonstrieren, ausgehen als Kontrastprogramm zu den letzten Tagen. Die Poren sind nun geweitet. Der Smog kann effektiv eindringen. Da haben sich die Gesichtsmasken gelohnt.

Dienstag, 11. Mai 2010

Rheinseiten und Ansichten

Am vergangenen Samstag verschlug es mich aus dem sonnigen Aachen für einen Tag nach Krefeld – nein, das ist nicht das Ruhrgebiet. Dazu liegt es auf der falschen, nämlich linken Seite des Rheins. Ich lerne täglich hinzu. Hier darf man nämlich auch kein Kölsch bestellen. Nicht dass mir das in den Sinn gekommen wäre. Mir fehlt doch das fränkische Bier.
Zugegeben, es ist ein bisschen gemein, mit vergleichsweise akzentarmem Deutsch NRW zu infiltrieren. Im Rahmen meiner Undercoveraktion komme ich in den Genuss einer Lehrstunde über mecklenburgische Straßenverhältnisse erteilt von Menschen, die von mir nur wissen, dass ich mal sieben Jahre in Leipzig studiert habe. Hierzulande weiß man jedenfalls mit Sicherheit: „Die Autobahnen im Osten sind jetzt ganz nagelneu und ausgebaut und auch die innerstädtischen Straßen vor allem nördlich von Berlin wurden ja runderneuert.“ – „Alles blitzt und glänzt in Brandenburg.“ Und weil es im Ruhrgebiet den Menschen so schlecht geht und die Pötter längst nicht so sehr glitzern wie die Menschen in den Ostgebieten, sei es doch an der Zeit, den Benachteiligten immerhin nach über zwanzig Jahren die Zahlung des Soli-Beitrages zu erlassen. Die Verhältnisse hätten sich schließlich längst umgekehrt. Auf Nachfrage, wann denn die Ostgebiete zuletzt bereist wurden, folgt nachdenkliches Stirnrunzeln: „Hm, naja, also in Ostberlin waren wir mal in den Achtzigern, aber Berlin hat ja seit der Wende auch seinen Charme zunehmend verloren, nicht wahr?“
Hach, wie gut, dass aus Ostperspektive die Pottgrenzen in Helmstedt gezogen werden. Auch gut, dass die SPD nun Gelegenheit bekommt ihre Konzepte in der Bildungspolitik voranzutreiben. Da gehören Geographie und Sozialkunde hoffentlich auch ganztägig zum Programm. Wenn die Linke schließlich noch Teil der Regierungskoalition wird, dann gibt’s bestimmt ein bissl Aufklärung über „original sozialen“ ostdeutschen Glamour gratis. Ich war übrigens am Sonntag nicht wahlberechtigt, weil ich mich weigerte, im Einbürgerungstest NRW Stellung zu meinem Kopftuch zu nehmen. Aber es gibt Hoffnung, es glitzert, es dämmert.

Samstag, 17. April 2010

Wo bin ich hier eigentlich?

Bevor ich nach England kam, dachte ich, dass das Vereinigte Königreich, abgesehen von der Währungsunion, zur EU gezählt wird. Langsam wurde mir klar, dass das höchstens auf dem Papier so ist. Man spricht hier gern vom Kontinent, Festland - verständlich, wir sprechen ja auch von der Insel - oder eben Europa und schließt sich selbst dabei keineswegs ein. Nach Weihnachten fragte man mich, wie es in Europa war... Der Höhepunkt war erreicht, als ich bei der Post Briefe in verschiedene EU-Länder schicken wollte und das auch so ausdrückte. Leider hatte die nette Schaltertante noch nie was von der Europäischen Union gehört, jedenfalls musste ich dann doch alle Länder einzeln aufzählen. Zum Dank wurde ich wieder "Love" und "Darling" genannt...
Ich hoffe übrigens, dass man sich das mit der Währung wirklich bald mal überlegt. Für eine einfache Auslandüberweisung müsste ich hier zwischen 15 und 25 Pfund bezahlen - die spinnen, die Briten. Kein Wunder, dass die Schotten unabhängig werden wollen...
Abgesehen davon frage ich mich, ob Lincoln (der Ort, den außerhalb von Lincolnshire niemand kennt, obwohl in der hiesigen Kathedrale sogar ein Teil des Da Vinci Code gedreht wurde) tatsächlich dort ist, wo es auf der Karte geschrieben steht.
Angeblich ist der Himmel über ganz GB von schwarzer Vulkanasche überzogen. Hier strahlt die SOnne am blauen Himmel und von Asche ist weit und breit nichts zu sehen oder zu riechen.
Mit dem Jahreswechsel hieß es, dass in ganz GB Schneechaos herrsche. Man spricht davon hier schon lange bevor man in deutschen Mittelgebirgsregionen daran denken würde, zumal Winterreifen nicht so in sind. Für mehrere Wochen wurden dann überall Schulen geschlossen. Davon wusste ich dennoch nur aus den Nachrichten - bei uns lief alles wie immer.
Meine Mitbewohnerin beginnt gerade damit, ein chinesisches Mittagessen zu kochen, während ich versuche, meinen Erfahrungsbericht zu schreiben, der eigentlich längst fertig sein sollte, mich jedoch zu diversen Blogseiten führte, die ich schon länger vernachlässige. Eigentlich wollte ich für die Chinesin Spaghetti kochen, da es ihr Geburtstag ist und sie diese Speise bisher (unverständlicherweise) noch nie gegessen hat. Aus Italien wird nun leider nichts, ich werde wieder nach China katapultiert, mein (mündliches) Mandarin wird auch besser, ich benötige nur noch wenige Hilfen, um mich vorzustellen, das Geburtstagslied konnte ich ganz allein singen...

Donnerstag, 18. Februar 2010

The Karma-Dilemma

Vierzehn ganze Tage habe ich mich hinter Daunen und Kissen verbarrikadiert mit Chips und Cola, Schokolade und Rotwein, Bratkartoffeln und Käse, Eiern und Schinken, schlechten Serien und noch schlechteren Filmen. Bestimmt zwei Kilo schwerer aber kein bisschen unglücklich, Hirn entleert, Rücken entspannt. Meine Güte geht’s mir gut! Ach du Sch…, sind meine Haare lang geworden! Ich muss zum Friseur.
Seit
Jahren stecke ich in dem moralischen Zwiespalt, den Billiglohnsektor nicht protegieren zu wollen, weil ich eigentlich dagegen bin, dass jemand von unter 5 Euro Stundenlohn leben muss. Andererseits habe ich im karitativen Ehrenamt viele Jahre nur von Händedrucken und Blumensträußen gelebt und nie beschlich mich das Gefühl, meine Vorgesetzten seien in irgendeiner Form unglücklich darüber. Ich wähle den Mittelweg: "Waschen, Schneiden, Selberföhnen" gibt es bei Caroline für 20 Euro, das ist ebenso unangemessen wie erschwinglich. Zumindest den Zehn-Euro-Friseur boykottiere ich und fühle mich gut dabei. Als die wortkarge Dame mit dem Schneiden fertig ist, beginnt sie zu föhnen. ("Halt! Das ist doch mein Job!" denke ich.) Sie nimmt sich beinahe mehr Zeit fürs Föhnen als für das Schneiden und ich fürchte, dass sie im Minutentakt abrechnen wird. Ich müsste dann mit einer 40-Euro-Rechnung leben. Ich wage es nicht, ihr das Gerät aus der Hand zu reißen. Ich möchte nicht knausrig wirken und es auch nicht sein. Es werden dann schließlich 30 Euro, Caroline ist glücklich. Ich muss also meine Brauen und Barthaare selbst zupfen, Natalie will dafür nämlich immer nen Zehner…
Jetzt, wo ich die Haare schön habe, geht es zum Body Shop. Dort lerne ich, was ein "Body Mist" ist, entscheide mich für die Version "Sparkling Apple" und lasse mir außerdem einen "Curl Boost" aus Baumwollsamen für meine neuen Haare andre
hen. Weil mir bei einer Rechnung von 16 Euro noch 4 Euro für einen Treuestempel fehlen, widme ich den Fehlbetrag kurzerhand der Spendenaktion "Stoppt Sex-Handel mit Kindern und Jugendlichen". Die Verkäuferin ist überaus erfreut. Schließlich ahnt sie nicht, dass ich viele Jahre mal den Zehnten gegeben habe. Ich bin also einiges gewohnt und komme mir mit meiner mickrigen 4-Euro-Spende geizig vor. Zu allem Überfluss bekomme dafür nicht nur diesen blöden Stempel. Sie strahlt, kramt in ihrem Schränkchen und teilt mir mit, dass ich, "weil die Spende so hoch war", eine weitere Creme und ein limitiertes Postkarten-Set erhalte. Außerdem könne ich mir aussuchen, von welchem Artikel im Laden sie mir eine Probe abfüllen soll. Ich wähle "süße Zitrone" und bin irritiert. (Als Teenager habe ich mal 50 DM an ein Missionswerk nach Sibirien gespendet, woraufhin ich ca. zehn Jahre lang handgeschriebene Papierbriefe direkt aus Sibirien bekam.) Im Body Shop befällt mich ein ähnliches Gefühl. Was kommt denn da noch bei den Kindern an?Dritte Station Bagel Brothers. Ich nehme ein halbes Dutzend Bagels und 100g Frischkäse. In Gedanken versunken das Rabattverhältnis zwischen einem Dutzend und einem halben Dutzend sowie einzelnen Bagels ausrechnend, zahle ich und verlasse den Laden. Der Betrag klingt mir noch im Ohr und ich stelle fest: Ich habe nur die Bagels bezahlt, den Frischkäse gab es gratis. Lauf ich jetzt zurück? 1.60 nachzahlen? Nee, 3,25 Euro ist ja eigentlich teuer genug für ein paar Brötchen, die nichtmal BIO sind.
Lieber noch schnell zu Netto in den Strohsack und den Einkauf vervollständigen. Ich habe jedoch aus der Frischkäsegeschichte gelernt und bin aufmerksam. Die Kassiererin ist ob der langen Schlange nervös und entsprechend langsam und unkonzentriert. Sie gibt mir 20 Cent zu viel Rückgeld. (Um mir eine Reise zu einer amerikanischen Pfingstgemeinde zu finanzieren, die gerade eine Erweckung erlebte, hab ich im zarten Alter von 16 mal drei Monate bei Kaufland kassiert. Ich weiß also genau, wie man sich fühlt, wenn die Kunden unruhig werden und die Augen verdrehen. Nichts ist schlimmer, als wenn nach Feierabend die blöde Kasse nicht stimmt.) Ich gebe ihr also das Geldstück zurück und ernte einen ähnlich entrückten Blick von dem Mädchen, wie von der Body-Shop-Verkäuferin angesichts meiner Anti-Sex-Spende.

Ich habe eine Friseuse in meditativer Geschwindkeit föhnen lassen, für den Versuch, Kinder vor Sex zu schützen, Geschenke abgesahnt und mir zwar 100g Käse, nicht aber 20 Cent schenken lassen. Unterm Strich bin ich ratlos, wie sich die Karmapolizei zu meinem Verhalten positioniert.

Samstag, 13. Februar 2010

Tell me why I don`t like Mittwochs

3:32 Uhr: Der Wecker klingelt. Es ist wieder einmal Mittwoch und damit Zeit, mich in die Tiefen des Thüringer Waldes zu begeben. Ich stehe auf, mache mich fertig und packe die restlichen Sachen zusammen.
4:04 Uhr: Mein Mitbewohner kommt nach Hause. Wir unterhalten uns und stellen fest, dass es doch komisch ist, dass für ihn noch Dienstag ist, während für mich der Mittwoch schon begonnen hat.
4:31: Der Zug fährt in los. Außer mir sitzen noch ein Mann und der Lokführer darin.
4:33 Jena Paradies: Der Mann mit der komischen Mütze und dem Fahrrad, die Frau mit dem Pelzkragen und etwa drei weitere Personen steigen zu. Um diese Zeit sind es fast immer dieselben. Der Zug fährt weiter durch die Nacht, es herrscht Stille. Göschwitz, Rothenstein.
Kahla. Ein Mann steht auf dem gegenüberliegenden Bahnsteig und wartet auf einen Zug, der vielleicht nie kommt.
Orlamünde: Hier trennt sich der Zug in zwei Hälften. Der Mann mit der komischen Mütze steigt aus, schwingt sich auf sein Fahrrad und fährt davon. Der Zug nicht. Szenario “Der Zug ist kaputt”, Möglichkeit 1. Ich frage der Lokführer, ob er in Saalfeld anrufen kann, so dass mein Anschlusszug wartet. Auch die Frau mit dem Pelzkragen fragt, allerdings will sie einen anderen Zug erreichen, der eher fährt. Der Lokführer antwortet: “Ich bin froh, wenn wir hier überhaupt weiter kommen.” Ich auch. Wir setzen uns schicksalsergeben hin und warten.
Falls der Zug weiterfährt folgt Zeutsch: Ein Ort, an dem garantiert nichts geschieht.
Uhlstädt: Hier steigt stets ein älteres, abgearbeitetes Damentrio ein. Ich stelle mir vor, dass sie in einer düsteren Fabrik am Fließband arbeiten müssen, und deshalb schon so zeitig unterwegs sind. Zwei von ihnen steigen in Rudolstadt aus. Hier besteht Möglichkeit 2 für das Szenario “Der Zug bleibt stehen”. Wenn dies passiert, wird man uns eine halbe Stunde später in einen Bus setzen und nach Saalfeld fahren, wo ich natürlich den Anschluss verpasst habe, zwei Stunden warten und die Schule informieren muss, dass ich in den ersten Stunden nicht werde unterrichten können.
Wenn der Zug normal weiterfährt, erreichen wir bald Saalfeld. Dort steige ich in einen Zug, der unbeleuchtet auf einem Gleis wartet. Nach 20 Minuten fahren wir, der Lokführer, ein Schaffner und ich, los. Eine gendergerechte Ansage begrüßt mich mit den Worten “Sehr geehrte Reisende. Wir begrüßen (S)ie ...” Es folgen Wald, Dunkelheit, Bedarfshalte, wenige Reisende und eine stetige ansteigende Menge Schnee. Am Ziel angekommen steige ich aus dem Zug. Die Temperatur ist seit Jena um etwa 10 Grad gefallen, auf dem Bahnsteig sind die Bänke nicht mehr zu sehen, dafür ein Wall von Schnee. Mutig kämpfe ich mich durch zu meinem Arbeitsort.

Samstag, 9. Januar 2010

Mittwoch, 6. Januar 2010

Dienstag, 29. Dezember 2009

cartoon from www.weblogcartoons.com

Cartoon by Dave Walker. Find more cartoons you can freely re-use on your blog at We Blog Cartoons.

Freitag, 18. Dezember 2009

Ein schöner Tag

...war das heute nicht gerade. Noch heute morgen freute ich mich, dass mein Unterricht sich auf die Betreuung einer Nachschreibearbeit beschränkte. Danach wollte ich mit dem Zug nach Jena fahren, die Weihnachtgeschenke zu Ende basteln, schlafen und dann zu einer Weihnachtsfeier gehen. Als ich allerdings auf dem Weg zum Bahnhof frohgelaunt das Lehrerzimmer betrat, um mein Gepäck zu holen, schwappte mir eine Welle der Betroffenheit entgegen. Unser Praktikant war mit einer bakteriellen Meningitis im Lehrerzimmer zusammengebrochen und nun sollten wir alle auf das Gesundheitsamt warten, das uns Penicillin brächte. Die nächsten fünf Stunden verbrachte ich daraufhin mich langweilend im Lehrerzimmer in einer Art Quarantäne bis endlich das lebensrettende Medikament gebracht wurde. Nebenbei erfuhr ich den neuesten Dorfklatsch über einen Mann, der gestern am Bahnhof von L., auf dem ich ja auch sehr viel Zeit verbringe, zusammengeschlagen wurde. Unsere WG in Jena wird neuerdings auch von Mitgliedern eines berühmt berüchtigten Rockerclubs bedroht wegen einer Sache, mit der wir gar nichts zu tun haben. Wenn diese allerdings erneut vorkommt werden sie uns einen Besuch abstatten, “und dazu brauchen [sie] keinen Schlüssel!” Der Advent ist doch jedes Jahr wieder eine besinnliche Zeit! Ich freue mich jetzt aber auf die Ferien. Morgen wird auf dem Schwarzacker ein Treffen (fast) aller ehemaliger und jetziger SchwarzackerianerInnen stattfinden. Zur Einstimmung höre ich unsere selbstaufgenommen CD “Weihnachten auf dem Schwarzacker”. Am schönsten ist doch immer wieder der Männerchor...

Montag, 14. Dezember 2009

Freitag, 11. Dezember 2009

131.450 €

Der Thonet Freischwinger S 43 ist das edle Sitzgerät der neuen Campus-Bibliothek. Zugegeben, schick sieht er aus, der Klassiker von Mark Stam. Aber das ist nur die halbe Wahrheit. Es ist kein Geheimnis, dass Markenprodukte nicht immer das halten, was ihr Image suggeriert... Und bei der Planung und Bestückung eines solchen Prstigeprojektes wie der neuen Bibliothek kommt es eventuell (wie im Bausektor üblich) zu Interessenkonflikten. Beide Aspekte komme nun in einem bipolaren Worstcase zusammen, wenn es um die Bibliotheksstühle der Campusbibliothek geht.
Bei 550 Sitzplätzen rechne ich, da ich nirgends Bierbänke gesehen habe, mit 550 Stühlen, die angeschafft wurden. Sofern Thonet die Stühle nicht als Mängelexemplare gespendet hat und ausgehend von einem Listenpreis von 239,- € pro Stuhl sowie einem hoffentlich erzielten Mengenrabatt von 10 % macht das immernoch 118.305,- €, die als Stuhlgeld umgesetzt wurden. Bei einem solchen Betrag wäre es meiner Ansicht nach ratsam gewesen, ein Exemplar ausgiebig zu Testen. Aber die Markenblindheit hat da wohl den Einkäufer (bzw. die Einkäuferin) geschlagen. Der S 43 hat ein für einen Stuhl gravierendes Problem: Bei der kleinsten Arschbackenkontraktion quietscht er, dass es einem durchs Hirn schießt, ganz zu schweigen von den Geräuschen beim Aufstehen und Hinsetzen. Steckt darin etwa ein unterschwelliger Zwang zum Stillsitzen? Hatte Mark Stam ADS und zwang sich so zur Ruhe? Oder hielt man etwa dieses Knarzen und Kratzen für eine angemessene, postmoderne Geräuschkulisse die die Bibliotheksatmosphäre auflockern sollte? Ich zweifle jedenfalls am Verstand der Planer und Planerinnen und prangere die Verschwendung von Studiengebühren und Steuergeldern an. Zudem sind erste unangenehme Folgen aufgrund des entstandenen Lochs im Finanzhaushalt der Campusbibliothek zu spüren: Die Putzkraft, die nachts um drei kommt ist offensichtlich derart unterbezahlt, dass sie "lediglich die Papierkörbe leert" (O-Ton einer Mitarbeiterin). Wer als Benutzer klebrige Arbeitsflächen vorfindet, muss diese selbst reinigen. Dafür ist an der Auskunftstheke ein feuchter rosa Lappen erhältlich, der auch schon bessere Tage gesehen hat. "Herzlich willkommen in der modernsten Bibliothek Deutschlands. Wir wünschen ihnen einen angenehmen Aufenthalt, in dringenden Fällen, dürfen Sie sich setzen."

Mittwoch, 9. Dezember 2009

alleinerziehend

Meine Kids (ein kleiner und ein großer Junge und ein kleines Mädchen) sind kreativ, eigensinnig und äußerst verspielt. Eigentlich ein Traum jeder Mutter... Dennoch frage ich mich, ob ich eine Selbsthilfegruppe für Alleinerziehende von Mehrlingen gründen sollte. Die Racker sind inzwischen zu viert. Ein noch kleineres, sehr behaartes Mädchen kam im Advent hinzu. Ihretwegen bunkert das kleine Mädchen nun sehr viel altes Obst und Gemüse auf der Heizung, denn das noch kleinere Mädchen muss gepflegt werden. Es ist das Kuschelspielzeug des kleinen Mädchens wenn der große Junge nicht da ist.
Der kleine Junge macht einen gesunden Eindruck. Er bevorzugt derzeit (naturgemäß) Hammer und Nägel als Spielzeug. Normalerweise wollte ich ihm ein altes Brett geben, in das er die Nägel dann hätte klopfen können, um Präzision und Kraft unter Beweis zu stellen. Mutti hätte ihn auch sicher hoch gelobt. Leider hat der kleine Junge, als Mutti mal kurz nicht hingeschaut hat, die kompletten Küchenwände genutzt, um seine Nägel zu platzieren. Die ostdeutschen Altbauwände sind jedoch sehr gemein hart. Der kleine Junge konnte seine Nägel nur wenige Millimeter versenken. Mindesten 2 cm schauen noch heraus aus der Igelwand. Glücklicherweise hat der kleine Junge die Nägel gleich genutzt, um die Wand zu tapezieren, und zwar mit Blechschildern von nackten Frauen, die mit Bierflaschen posieren. (Wahrscheinlich hat er die von seinem Vater – Gott hab ihn selig – geschnorrt. Der verfolgt mich nun bis in meine Küche.)
Das kleine Mädchen hat neben dem noch kleineren Mädchen noch weitere echte Mädchenhobbies. Aus ihren Kopflöckchen baut sie kleine Nester indem sie die dicken, blonden Ballen in allen Abflüssen unter den Siebeinsätzen versteckt, wo sie glaubt, dass Mutti sie nie findet. Ihr neues Leibgericht heißt „Herdplatte mit Käse überbacken“. Nun, ich finde, das ist wirklich Geschmackssache.
Aber ich will mich nicht nur beschweren: Der große Junge macht gar keinen Ärger. Er ist beinahe so lautlos, dass sich Mutti manchmal Sorgen macht, ob er überhaupt hier ist. Doch dann steht er plötzlich im zwielichtigen Flur und wirft einen langen Schatten. In diesem Moment weiß Mutti: „Alle Kinder leben noch und alle Kinder sind zu Hause.“ Man riecht es, man hört es, man möchte es verdrängen.

Dienstag, 1. Dezember 2009

Freitag, 13. November 2009

ASDA sei Dank

Nichtsahnend gehe ich doch heute ins Kaufland der Briten direkt neben DER Schule. ASDA heißt meine bevorzugte Einkaufsmöglichkeit. Nie zuvor hatte ich mir die Frage gestellt, wer eigentlich der Namensgeber meiner Schule ist. Da sehe ich auf der Suche nach diversen Lebensmitteln Marke "Any 2 for 3 Pound" ein Buch, auf dem exakt der Name meines Quasi-Arbeitsgebers steht, wenn auch das "Sir" fehlte. Fragte mich, was das nun wieder sollte, ein so neues Buch über einen offensichtlich alten und sehr wahrscheinlich unbekannten Herren, immerhin wurde die Schule in den 50ern gegründet.
Ob es die Riesenchipstüten in Holzkohlesack-Format waren oder mal wieder die verzweifelte Suche nach einer noch nicht probierten Brotsorte, bei der zur Abwechslung auch nur die geringste Wahrscheinlichkeit besteht, dass der Geschmack auch ohne enorme Mengen von Aufstrich halbwegs erträglich ist oder überhaupt vorhanden, ich ging der Sache erst jetzt nach, der "Google-Gott" macht's möglich. Welch außerordentliche Koinzidenz, dass der große "Twilight-Star" Robert Pattinson den Namen meiner Schule trägt - bleibt zu Hoffen, dass er für seine "Leistungen" nicht auch zum Ritter geschlagen und MP wird. Ich bin jedenfalls froh, dass ich mit ASDA täglich Geld sparen kann UND gleichzeitig auf dem Laufenden bleibe.

Mittwoch, 11. November 2009

Schweinegrippeimpfung

Die Impfdebatte ist in aller Munde. Das Netz ist voll von Pop-Up-Umfragen zur persönlichen Impfstrategie. Bei jeder halbwegs wahrnehmbaren Ansammlung von Menschen wird man gefragt: "Und, hast du schon...?" (Gemeint ist die Impfung.) In öffentlichen Gebäuden sind die Toilettenspiegel großflächig mit Stickern beklebt, auf denen eine comicartige Anleitung zum korrekten Händewaschen dargestellt wird: "Bloß nicht anstecken. Die Gefahr lauert überall, wo du deine Finger hinsteckst."
Türklinken werden nichtmehr angefasst, sondern mit Füßen aufgetreten. Fahrstuhlknöpfe betätigt man besser mit Stiften, auf deren Ende man später versehentlich herumkaut...
Ein seriöser und meiner Meinung nach kompetenter Link kann vielleicht helfen, sich eine Meinung zur Schweinegrippenimpfung jenseits der Pharmalobby zu bilden.

Freitag, 6. November 2009

Geigenraten

Als engagierte Lehrerin, die ich derzeit manchmal noch bin, führte ich heute eine Umfrage im Deutschunterricht der fünften Klasse durch. Im Gegenzug zu Ruhe und Konzentration auch freitags in der letzten Stunde, gab ich den Kindern die Gelegenheit, realistische Wünsche an meinen Unterricht zu formulieren. Die Auswertung ergab Folgendes: während ein Schüler vorschlägt, ich sollte jeden sein eigenes Buch schreiben lassen, möchte ein anderer “Witze ärzahlen”. Jemand will öfter “mimik und gestik darstellen”, ein anderer möchte “Hinaus gehen und etwas Spielen oder einmal draussen Lehrnen”. Ein Kind meint, man sollte den Deutschunterricht eher nutzen, um “Comics [zu] Zeicchnen” und “Nicht so viel [zu] schreiben”. Einem nächsten scheint ein Gitterrätsel, das ich vor ein paar Wochen mitbrachte, gefallen zu haben, es möchte “In Gästchen Wörter suchen”. Ein Mädchen wünscht sich das allseits beliebte Spiel “Geigenraten”. Immerhin ein braver Schüler schreibt: “Der Deutschuntericht geffält mir so wie er ist”. Ich denke, ich werde mich zur Freude aller ab der nächsten Stunde verstärkt auf Orthographie konzentrieren.

Mittwoch, 21. Oktober 2009

Drama am Zebrastreifen

Ich hatte schon immer den leisen Verdacht, dass sich Geschäftsmänner in ihren gebügelten Klamotten und mit dem gepflegten Köfferchen an der Hand alles andere männlich fühlen. Extremsportarten für den gewissen Nervenkitzel sind unter ihnen auch weit verbreitet. Dieser junge Mann hat seine Trainingseinheit am Zebrastreifen mit deutscher Präzision vorbereitet und absolviert und verdient allen Respekt:
http://www.spiegel.de/video/video-1027642.html

Samstag, 10. Oktober 2009

Anagrammatische Doppelnamensgebung

Der Schwarzacker ist inzwischen geradezu entvölkert. Sogar der Traditionsbäcker hat lautlos seine Zelte abgebrochen (siehe Foto rechts). So bleibt mir nichts anderes übrig, als in der Mottenkiste meiner Erinnerungen nach einem zeitlosen Thema zu suchen:
Damals debattierten wir abendfüllend über die feministische Absurdität von Doppelnamen. Besonders ausdrucksstarke Kombinationen wurden kreiert, Namen von bekannten und fiktiven Personen kombiniert. Doppelnamen erfahren eine eigenartige Häufung in der Politik. Man denke nur an Däubler-Gmelin, Göring-Eckardt, Wieczorek-Zeul, Leutheusser-Schnarrenberger, Koch-Mehrin, Schröder-Köpf oder kleinere Lichterinnen wie Lösekrug-Möller, Dinges-Dierig, Dunger-Löper, Schnieber-Jastram, Junge-Reyer und so weiter. Nicht, dass ich die alle kenne.
Ich persönlich habe ein einfaches Kriterium festgelegt, für den Fall, dass ich mich im Laufe meines Lebens zu einer Eheschließung überreden lassen sollte: Für mich kommt ein Doppelname nur dann infrage, wenn er eine ausdrucksstarke Anagrammbildung zulässt. Zurzeit liebäugle ich ja mit einem Namenswechsel. Dann würde ich zwar hier auf dem Blog mein Pseudonym ändern müssen, aber mit dem Anagramm „Naja ehrlich Oma“ könnte ich gut leben. Ob ich es vorziehe, dass mir endlich mal „Joachim real nah“ kommt oder doch lieber „Majorca heil nah“ habe ich noch nicht letztgültig entschieden. Ich könnte den “Leichnam: J. O’Hara“ um Rat fragen.
Um in diesem Artikel auch den geneigten Lesern noch einen kleinen Anknüpfungspunkt zu bieten: Den „Schwarzackerblog“ halte ich für wenig heiratsfähig: Sein „Zwerchsack log bar“ während sein „Zweck arglos brach.“ Da ist nichts mehr zu machen.
Schönes Wochenende bei: anagramme.spieleck.de

Sonntag, 20. September 2009

Home sweet home...

Ja, ich habe den Schwarzacker mehr oder weniger offiziell verlassen, wobei ich bemerken möchte, dass es tatsächlich nicht mit einem feuchten Händedruck war, VOR ALLEM mit keinem feuchten!

Zur weiteren Überbrückung verbringe ich die letzten Tage in meiner Heimat, was genauer gesagt ein kleineres Dörflein auf dem Lande ist, irgendwo in Westsachsen zwischen Erzgebirge und Vogtland. Auch die Handy-Anbieter haben diese Tatsache offenbar entdeckt, Empfang gibt es hier nämlich überhaupt keinen und zu keinem Zeitpunkt.

Das macht aber nichts, man wird hier hervorragend abgelenkt von dieser Tatsache, indem einem alle Arbeiten, die sonst keiner machen will, aufgedrückt werden. Wer hätte gedacht, dass ich mal Kartoffelmännchen besteln würde?!

Ansonsten ist Familie aber doch ganz nett. Versicherungsvertreter und Ärzte werden hier einfach gleich für alle Bedürftigen der näheren und weiteren Verwandtschaft zum Hausbesuch gebeten.

Ich sehne mich nach einer Stadt und nach dem Schwarzacker!

Mittwoch, 16. September 2009

Geht Karlo zum Schamanen?

Seit heute darf man nun vom endgültigen Tod des Schwarzackers sprechen. Klingelschilder werden neu geschrieben. S. hat sich achselzuckend mit einem feuchten Händedruck verabschiedet und sich eingeredet, dass ja eigentlich gar nichts anders wird, sie sei ja auch bei facebook, oder so. C. ist eh dauernd zu Besuch und wirft argwöhnische Blicke auf ihre Hinterlassenschaften.
Ich flüchte in meine Magisterarbeit und damit in den Mikrokosmos des altehrwürdigen Lesesaals der Deutschen Nationalbibliothek zu Leipzig. Von den schweren Eichentischen sprach ich bereits, an die ich beinahe mein Notebook für immer und ewig festgekettet hätte. Neben dem Mobiliar gibt es immer wieder auch Besucher, die es wert sind, dass man über sie ein Wort verliert: Insbesondere die Pärchen haben meine ungeteilte Aufmerksamkeit, sofern sie einen Tisch in meinem Blickfeld besetzen.
Ein Pärchen, wahrscheinlich beide Tiermedizin studierend, schrieb am gemeinsamen Blog (www.karlos-welt.de). Ich hatte trotz meiner Kurzsichtigkeit den Blogtitel über seine Schulter hinweg erspähen können und wurde hinter seinem Rücken zur heimlichen Blogleserin – live und in Farbe. Thema: Der hauseigene Kater schießt aus Katerperspektive Fotos und kommentiert diese in Katermanier, leider sehr lieblos, was Rechtschreibung und Grammatik angeht und wirklich nicht mein Humor.
Ein weiteres Pärchen erregte über mehrere Wochen meine Aufmerksamkeit. Die lebhaften Hände der beiden ließen vom Schoß des jeweils anderen unterm Tisch nur selten ab. Die Frau prägte zudem die Atmosphäre mit ihrem intensiven, beißenden Körpergeruch, der ihr schon morgens gegen neun Uhr anhaftete. Der pheromongedopte Typ machte es sich zu allem Übel zur Gewohnheit, immer dann, wenn sie sich gerade ein Buch holte oder zur Toilette ging, seinen Wordtext-Bildschirminhalt gegen billige Pornobildchen zu tauschen, um gerade rechtzeitig zu ihrer Rückkehr wieder „am Text zu arbeiten“. An drei verschiedenen Tagen wiederholte sich dieses Schauspiel, sodass ich von einer gewissen Regelmäßigkeit ausgehe und meinen Platz seither sehr sorgfältig in weiter Ferne derselben wähle.
Ein dritter Banknachbar beglückte mich in dieser Woche mit einer äußerst aufschlussreichen Buchauswahl, die ich hier mal kommentarlos und gewohnt vorurteilsfrei visualisiere.

Montag, 14. September 2009

Provinz

Am interessantesten sind doch immer die Leute, die man an einem neuen Ort kennenlernt. Ob das nun die Lehrerin ist, die mich anspricht mit den Worten: “Als ich sie das erste mal sah, da fiel so das Licht auf sie und es lief mir eiskalt den Rücken hinunter.” Natürlich wundert man sich über eine solche Aussage. Doch die Erklärung folgt: Ich sähe genauso aus wie die im letzten Jahr an Krebs recht jung verstorbenen Arztfrau von L. Natürlich hat sie das dem Arzt sofort mitgeteilt, der wohl etwas verstört darauf reagiert hat. Mir wurde geraten, nicht in seine Praxis zu gehen, da er wahrscheinlich nicht damit umgehen könne. Oder die Sekretärin, die vor mir, bevor sie mir meine Kopiernummer aushändigt, ihre neue bei Otto bestellte und eben angekommene Bluse auslegt, um meine Meinung dazu zu hören, welches Unterteil man dazu kombinieren könne. Oder der Lokführer, der mit mir früh 4.15 Uhr auf den verspäteten Zug wartet und mir mitteilt, dass das Leben vorbei ist, wenn man erstmal arbeitet, vor allem wenn man einen solchen Fahrplan hat wie er. Kein abendliches Bier mehr mit den Kumpels. Er wartet auf die Rente, obwohl er sicher nicht älter als 45 ist. Er fragt mich, was ich um diese Uhrzeit hier täte, da er mich doch letzte Woche schon sah. Ich erzähle ihm von L. Sein Kommentar dazu ist: “Alles Inzucht da unten. Da kam ja niemand hin. War ja fast Sperrgebiet. Die haben sich immer nur untereinander gepaart.” Im Zug sitzt eine Frau, die mit ernstem Gesicht einen Test zum Thema “Welcher Salztyp bin ich?” macht. Ich muss ein bisschen lachen und harre der nächsten Begegnung mit einem dieser spaßigen Inzuchtmenschen.

Montag, 24. August 2009

Gesucht: Muslimische Jungfrau aus Deutschland.

Zugfahren beschert mir hin und wieder einzigartige Einblicke in die Untiefen unserer multikulturellen Gesellschaft. Von der GamesCom in Köln fuhre ich gestern nach Aachen, eine Stunde RE1 am Nachmittag, dürftig klimatisiert, vollbesetzt.
Schon als ich mich für meinen Sitzplatz entscheide, fällt mir ein dünner, braungebrannter Mann auf, der ein zart rosa Hemd trägt. Er beobachtet mich mit einem starren Blick, wie ich durch den Gang stolpere und mich schließlich zwei Reihen vor ihn setze. Während der folgenden Stunde darf ich dem gut verständlichen Zuggespräch zwischen ihm und seiner zufälligen Zugbekanntschaft, einem 23-jährigen Studenten aus Köln beiwohnen. Beide haben sich soeben als Iraner bekanntgemacht und nutzen den angenehmen Zufall des deckungsgleichen Migrationshintergrunds zu einem Schwätzchen auf Deutsch. Den rosa Mann, den ich auf mindestens Mitte dreißig schätze, nenne ich Haschem. Zu dem muskulösen, gepflegten Studenten, der ein wesentlich besseres Deutsch spricht, passt der Name Ali. Ali ist in Deutschland geboren und aufgewachsen. Sehr zur Verwunderung Haschems ist er jedoch mit seinen 23 Jahren weder verheiratet, noch Vater vieler Kinder. Ali ist überzeugt: Seine Traumfrau muss zwar auch in Deutschland aufgewachsen sein, jedoch eine fromme Muslima und auf jeden Fall Jungfrau. Haschem pflichtet ihm bei und meint, er habe seine Frau im Iran gekauft. 31.000 Euro habe ihn das gekostet, mit der Hochzeit insgesamt 70.000. Ali hat sicher noch nicht so viel gespart. Haschem predigt eindringlich: "Jungfrau muss sein. Hörst du?! Das ist das Allerwichtigste. Und wenn sich dann nach der Hochzeit herausstellt, dass sie nicht Jungfrau war, Vater muss zweimal Brautpreis bezahlen." Ali nickt: "Es ist aber auch sehr schwer hier in Deutschland eine gute Frau zu finden. Die sind alle so beeinflusst durch die Medien, das Fernsehen und so weiter. Und außerdem: Wenn eine Frau schon mehrere Beziehung hatte, dann kann sie den Mann besser einschätzen, dann hat sie Erfahrung." Haschem: "Ja, das ist nicht gut. Es ist sehr schwer hier in Deutschland. Deshalb habe ich Frau in Iran geholt." Ich steige aus.

Andere Szene: Erst letzte Woche schnappte ich einen Gesprächsfetzen zwischen zwei arabischen Typen vorm Supermarkt auf, denen die Erleichterung ins Gesicht geschrieben stand und die einander auf die Schulter klopften, weil sie nicht mehr arbeitslos waren. Ich freute mich über ein winziges Zeugnis von Integration und war stolz auf mein Heimatland.
Mit der Zugszene im Kopf, wird mir auch eine Schattenseite klar: Diese ehrwürdige Toleranz bringt auch mit sich, dass man offensichtlich in einem mehrheitlich von Europäern besetzten Zugabteil in verständlichen, klaren Worten Frauen diskriminieren kann, ohne irgendeinen Einspruch befürchten zu müssen. Soll ich darauf etwa stolz sein?

Samstag, 15. August 2009

Langeweile, Nostalgie und Realitätsverdrängung

Ich bin gerade in jener Stadt, in der ich mein FSJ verbrachte. Auch hier dominiert Langeweile. Auf der Gruppe stellen die Bewohner noch immer die selben Fragen. Der Mitarbeiterstamm hat sich geringfügig verändert, hier und da hat jemand geheiratet, dort hat jemand zwei bis drei Kinder bekommen, die anderen sind in Rente, verrückt oder kurz davor weggegangen etc. Am Fenster der FSJler-Wohnung ist jetzt eine riesige mit Wasserfarben gemalte Diddl-Maus zu sehen, während wir noch mit Backofen-Spray und leeren Weinflaschen arbeiteten, um unverständliche, aber durchaus kreative Ideen umzusetzen. Im Kollegium hört man, dass die letzten FSJler sehr brav waren und die neuen noch braver sind.
Vor zwei Tagen war ich in Bielefeld. Langweilig ist, dass ich nicht die erste bin, die das behauptet und noch langweiliger ist die Tatsache, dass es wieder niemand glauben wird.
Ich sehne mich nach einer guten Serie, die mich davon abhält über die Langeweile nachzudenken, die offenbar früher oder später überall einkehrt.
Hoffen wir das Beste für den Schwarzacker und sein Blog...

Mittwoch, 12. August 2009

Gegenwelten

Da ich bei unserer kleinen Umfrage für die Erhaltung des Schwarzackerblogs stimmte, will ich nun beweisen, dass ich es auch ernst damit meine, und so blogge ich nun nur, damit E. sich nicht so allein im Blog fühlt. Leider habe ich keine witzigen Suchergebnisse, mit denen ich die Allgemeinheit erfreuen könnte. Dafür hätte ich einen leicht durchgeknallten Direktor zu bieten, der mich in sein Büro bestellt, um mir zu erzählen, dass er nicht weiß, was er mit seiner Küche machen soll, wenn er nächstes Jahr in den Vorruhestand geht. Weiterhin wäre da ein kurzes Zwiegespräch mit einer alternden, wahnsinnig aufgedonnerten Prostituierten, die mit ihrem Minihund im Haus spazieren ging und mich nach dem mir leider bisher unbekannten Hausmeister befragte. Heute Nacht werden zwei nahezu Fremde bei mir übernachten. Sie bringen was zum Kochen mit, daher ist das ok. Alles nicht so schön wie bei Google, aber dafür das wahre Leben.

Dienstag, 11. August 2009

Welt ohne Fernsehen und Sex

Mehrmals erntete ich in der vergangenen Woche verständnisloses Kopfschütteln aufgrund meines Bekenntnisses, (noch immer!) Google als Suchmaschine zu benutzen. Um ehrlich zu sein, ich sehe darin einen solidarischen Akt. Ich fühle mich so als aktiver Teil zahlreicher Verschwörungstheorien – welches Sinnpotenzial. Google liefert außerdem sehr aufschlussreiche Suchergebnisse, auf die ich meine hausgemachte Gesellschaftskritik gründen kann. Mir sind inzwischen die TV-Serien ausgegangen - Sommerpause, Staffelende etc. Da ich Bildschirmberieselung nach einem Tag in der Bibliothek jedoch sehr schätze, wagte ich den Versuch, nach einer neuen Serie zu suchen, die etwas mehr Inhalt transportiert und etwas weniger vorhersehbar ist. Mein Suchbegriff: „TV für Intellektuelle“ liefert innerhalb von 0,35 Sekunden ganze VIER Ergebnisse. Die Suche auf Englisch listet sogar noch weniger Einträge auf. Ich bin ratlos. Fernsehen und Intellektualität scheinen unvereinbar. Aber wer jetzt denkt, diese spannungsreiche Beziehung läge vor allem an dem Phänomen der Niveaulosigkeit von Fernsehen, der irrt. Es muss an der Eigenart der Intellektuellen liegen: Wie sonst könnte die Suche nach „Sex für Intellektuelle“ die Anzahl der Suchergebnisse noch unterschreiten: DREI!? Eine seltsame Schwere befällt mich. Ein Leben als Intellektuelle kommt für mich nicht mehr infrage, jedenfalls nicht in Googles Welt.


P.S. „Ein Intellektueller ist ein Mensch, dessen Geist sich selbst beobachtet.“ (Albert Camus)

Freitag, 7. August 2009

Googlegott, der du bist im Internetz...

Im Rahmen meiner diesjährigen Spontanurlaubsplanung habe ich Google-Earth wiederentdeckt und mir die zur Auswahl stehenden Feriendomizile auf den von anderen Urlaubern geposteten Fotos angesehen. Da dieser Service kostenfrei ist, wird neben den Fotos Werbung eingeblendet. Normalerweise ist mein interneterprobtes Hirn trainiert, diese "Sponsored Links" nicht zu beachten. Seltsamer Weise fielen mir jedoch diese Kuriositäten automatisierter Werbung ins Auge.

Auch wenn die Werbung vom Todes-Test offensichtlich eine computergenerierte Übersetzung ist, schätze ich dieses Kleinod in meiner Muttersprache besonders. Vielleicht erfahre ich hier, wann ich sterben muss, oder auch, ob ich jemanden umbringen werde, ohne es zu merken. Vielleicht eine Fliege oder einen Käfer? Wenn aber 5 Tonnen nur 2,99 Euro? Kosten, dann kann ich mir sehr viele Fliegenmorde leisten. Bei einem Durchschnittsgewicht von 75 kg kann ich für einen "e" auch 22 Menschen ins Jenseits befördern bzw. nur 4,5 cent pro Korpus berappen. Doch mit dem Tod habe ich nicht so viel am Hut. Ich bin am Leben interessiert und deshalb begeistert mich natürlich shopping.com mit seinem Angebot: Hier wird bewiesen, dass man für Geld doch alles kaufen kann. Sollte ich mich für eine Autobahnbaustelle entscheiden, kann ich im gleichen Laden auch die passenden Bauarbeiten erwerben. Ich spare sicher auch Porto, wenn ich eine Gesamtlieferung akzeptiere. Wunderbar! Das Internetz erfüllt alle meine Träume von Leben und Tod. Danke, Googlegott!

Donnerstag, 6. August 2009

Leipzig-Jena-Lobenstein

Vor fast einer Woche habe ich nun den Schwarzacker verlassen. Ich wohne nun in Thüringen, welches zu gefühlten 90% aus Wald besteht. Mein neues Zimmer in Jena ist noch nicht eingeräumt, aber ich war auch noch nicht so viel hier, da ich bis heute im Schullandheim in einem winzigen Dorf umgeben von Wäldern war. Ich werde nun mehrere Wohnorte haben, einen in Jena und einen in Bad Lobenstein, einem Kurort mitten im Thüringer Wald. Am Montag habe ich diesen erstmals aufgesucht und ich muss sagen, der Ort ist genau das, was ich mir für die nächsten zwei Jahre vorgestellt habe: Wald, ein Zimmer im Schützenhaus, Wald, keinen Kollegen unter 40, Wald, eine beschissene Zugverbindung und vor allem Wald. Zum Glück bewohne ich einen Teil der Woche ein Zimmer in Jena, auch hier gibt es viel Wald, aber immerhin auch Menschen unter 40. Und ein kleines Bordell im Hinterhaus. Von meinem Fenster aus kann man direkt auf sich sonnende Prostituierte hinabsehen. Und auf Berge mit Wald. Morgen komme ich erstmal nach Leipzig zurück. Derzeit ziehe ich den Acker noch dem Wald vor.

Donnerstag, 23. Juli 2009

Sex oder Religion – Grenzen der freien Entfaltung

Nachdem wir nun die Party ohne größere Personenschäden überstanden haben und C.s Tage auf dem Schwarzacker gezählt sind, ist hier eine seltsame Stimmung eingekehrt. Die letzten gemeinsamen Stunden erachten wir als so kostbar, dass wir einhellig beschließen, sie nicht mit dem kollektiven Konsum von USF zu verbringen. Wer jetzt aber hofft, der Schwarzacker sei endlich zu seinem Intellekt angemessenen abendlichen Diskussionsrunden bei Wein und Pfeife in der Küche versammelt, der irrt. Wir haben lediglich das Fernsehprogramm gewechselt und USF gegen gesellschaftskritische Reportagen getauscht – der größtmögliche Kompromiss der examinierten Weiber. Thematisch bilden wir uns zunächst zur Problematik der Winterhoffschen Tyrannen-Kinder weiter. Wir lernen, dass es intuitiv richtig ist, Nudeln auf der blanken Tischplatte auszubreiten, für den Fall, dass die Töchter sich weigern, den Tisch zu decken. Ein Vater im Film fragt sich, ob es denn gut sei, Kindern Grenzen zu setzen und sie durch Erziehung in ihrer Entfaltung einzuengen – zum großen Unglück ist er von Beruf Psychiater. Ein drittes Elternpaar lebt zwar getrennt, teilt aber die Meinung, dass das Töchterchen ruhig bei allen Kerlen der Welt übernachten darf, weil „offn un ährlüsch is rischdisch!“ Stillschweigend teilen wir den Gedanken an unsere behütete fromme Kindheit und Jugend.
Das Bildnis einer gefallenen Welt gewinnt an Plastizität durch die darauffolgende Sendung zum Pornokonsum von 10-14-Jährigen. Wenigstens entfährt einer 13-jährigen, die nicht mehr zählen kann, mit wie vielen Jungs sie schon geschlafen hat, (auch, weil sie meistens betrunken fern gesehen hat, während sie „ihn machen“ ließ), sie bewundere die Mädchen, die sich bis 17 oder 18 mit ihrem „Ersten Mal“ Zeit lassen. Dass Keuschheit einem Bewunderung einbringt ist mir neu. Da hat Dr. Sommer wohl seine Strategie geändert. Ich hab aber auch schon lange nicht mehr Bravo gelesen.
Gleichzeitig befällt mich Panik: Wie soll ich ohne religiöse Indoktrination meine Kinder je davor bewahren, Pornographie süchtige Tyrannen zu werden? R. sagt, dass sich jede Generation an die ihr gestellten Herausforderungen anpassen könne. Aber wer weiß schon, was die Herausforderungen von Zehnjährigen in zehn Jahren sein werden? Ich muss mal darüber nachdenken, ob es angesichts der vielbeschworenen „Zeiten, die immer schlimmer werden“, nicht klug ist, wenn überhaupt, dann so bald wie möglich Kinder zu bekommen. Ich werd mal die 10-Jährigen von heute befragen, was man dazu alles benötigt.

Früher war alles besser

Ein Satz, der in hier letzter Zeit oft gefallen ist, obwohl keiner wirklich davon überzeugt ist. Aber es sagt sich so leicht. Früher wusste E. die Zahlenkombination ihres Laptopschlosses noch (s.u.), neulich stellten wir nun fest, dass keine der Zahlenkombinationen mehr passt und eventuell ein sogenanntes “Freezing” eingetreten ist. Und trotz dass E. tausende von Kombinationen ausprobierte hat sich der Papst das Handgelenk gebrochen. Merkwürdig. Wir singen Queen am Frühstückstisch und finden das besser als Britaney o.ä. Früher haben wir die Texte nicht verstanden, heute finden wir sie lächerlich: “When stormy weather comes around, it was made in heaven”. Heute habe ich den Adventsstern in der Küche abgenommen, den ich in meiner ersten Schwarzackerwoche vor fast sechs Jahren aufgehängt habe. Damals war er noch nicht so staubig. Dieser Artikel sollte noch weitergehen, aber mir fällt gerade nichts ein und ich wurde schon angeschrien, weil ich immer noch nicht gebloggt habe. Also hier, nehmt hin!

Montag, 13. Juli 2009

(P)INsecure

Seit Wochen verbringe ich die Wochentage in der altehrwürdigen Deutschen Nationalbibliothek, um meine Abschlussarbeit zu schreiben. Die rustikalen Massivholztische erlauben jedem Nutzer das Dimmen einer wunderschönen, dunkelgrünen Jugenstillampe sowie die Benutzung einer halben Steckdose. Darüberhinaus kann man am Tischbein gut ein Notebook per Kabelschloss anschließen. Ein solches Schloss mit Schlüssel lieh ich mir von S. schon vor einigen Wochen aus. Seit ich jedoch erfahren musste, dass man aus einem Kugelschreiber, einem Stück Klopapierpapprolle und etwas Klebeband bereits eine Vorrichtung bauen kann, mit dem es sich öffnen ließe, ging ich nicht mehr so beruhigt in die Mensa. Ein Sicherheitsleck in meiner Abschlussplanung. Nach langen Recherchen und einem Blick in den Geldbeutel entschied ich mich für ein Kombinationsschloss aus vier Zahlen. Gedacht, gekauft. Umgehend bekam S. ihr Schloss zurück und ich triumphierte ob dieser Lösung. Es sei sehr schwer zu knacken, sagte mir die freundliche Saturn-Mitarbeiterin am Samstag.
Nun, die Werkseinstellung von 0-0-0-0 konnte unmöglich bleiben, also änderte ich diese auf ein nostalgisches Datum. Im zweiten Denkschritt fiel mir jedoch ein, dass das sicher viele machten und dementsprechend auch viele den jeweils anderen unterstellten und dies wiederum die Kombinationsmöglichkeiten von 10.000 Möglichkeiten auf nur noch 366 herabsetzte. Ein enormer Sicherheitsverlust. Umgehend machte ich mich daran, die Kombination erneut zu ändern: Dazu musste man den großen Knopf mit dem Finger und eine kleine Vertiefung mit einem Stift gleichzeitig gedrückt halten. Ich stellte nun eine todsichere Kombination ein und lies Stift und Knopf locker, um die Rädchen wieder zu verdrehen. Leider klemmte der kleine Knopf und hüpfte erst irgendwann unbemerkt aus seiner Vertiefung - zu einem Zeitpunkt, an dem ich keine Achtung mehr auf die eingestellte Kombination hatte. Um es kurz zu machen: Das Schloss besitzt nun eine Zahlenkombination, die es nur selbst kennt. Ich habe inzwischen 2100 Kombinationen ausprobiert, immer fein in Hunderterschritten vorantasten, bis der Finger blutet. Leider erfolglos. Auch ein schönes Hackvideo half nichts, da meine Version den Schlitz, in den ich mit einem Streifen Coladose eindringen soll, um den Durchschuss der Rädchen zu finden, nicht besitzt. Davon abgesehen besitze ich auch keine Coladose. Die Verkäuferin hatte Recht. Ich kann mich also nichtmal bei Saturn beschweren...
S. hat mir erneut Schloss und Schlüssel für diese Woche geliehen.

Sonntag, 12. Juli 2009

Das Ende eines Studiums.

Man könnte meinen, da würde man nostalgisch, man würde gar weinen beim Abschied von der liebgewonnenen Grammatik-Dozentin, die eine ihr gebührende Feier anlässlich ihres Eintritts in den Ruhestand gibt und man würde ein mulmiges Gefühl im Bauch haben, während man den mehr oder weniger geliebten KommilitonInnen Lebewohl sagt. Das Fest im Gästehaus der Universität ist übrigens gleichzeitig die Feier unseres 1. Staatsexamens bzw. der Exmatrikulation und damit einhergehend unseres Eintritts in die Welt der (zeitlich begrenzten) Arbeitslosikgkeit. Trotz Stilblüten, Gesang und Emotionen, trotz bestem Wissen, dass man diese Leute so bald nicht wiedersehen würde, der Knoten im Hals bleibt aus. Es wird noch andere Feiern geben, man sieht sich immer zwei Mal im Leben, wir fühlen uns ja noch wie StudentInnen etc. Der Abend war gelungen.
Bleibt noch die Nachhausefahrt mit dem Fahrrad. Immer wenn ich kein Licht habe, also fast immer, fürchte ich, dass mich spätestens kurz vor dem Schwarzacker die Polizei anhält. Dabei hätte ich mir jegliches Bangen über 5 Jahre hinweg sparen können, hätte ich gewusst, dass das nichtvorhandene Licht ignoriert wird, wenn man über eine rote Ampel fährt und die Kurzsichtigkeit/Nachtblindheit schon soweit fortgeschritten ist, dass das moderne europäisierte Polizeiauto mit Dresdner Kennzeichen völlig überraschend vor einem steht. Immerhin, die beiden Diensthabenden (manch eine würde sagen: eine Gutaussehende und ein Sachse) erklären mir recht freundlich, dass der Betrag sich vor einigen Monaten von 25€ auf 45€ erhöht hat. Mir fällt mein Alg-II-Bescheid ein: Der Staat gibt es, und der Staat nimmt es. Vielleicht muss ich vorbildliches Verhalten noch lernen, bevor ich möglicherweise selbst irgendwann in den Staatsdienst trete. Oder ich fahre nachts einfach trotzdem über rote Ampeln, weil die Straße nun einmal leer ist. Vielleicht ist es gut, dass man in Deutschland noch was von Ordnung hält. Vielleicht ein bisschen zu viel. Ich soll mir Licht besorgen. Für einen Augenblick sehne ich mich danach, in einem anderen Land zu leben, in dem man weder die Bedeutung von Hartz IV, noch die von roten Ampeln und verkehrssicheren Fahrrädern kennt.

Freitag, 3. Juli 2009

Verhinderung des Sommerlochs

Ja, es stimmt. Unser Blog hat einen herbstlichen Hintergrund, da E. der Meinung ist, bis dahin würde eh niemand mehr bloggen. Schon um das zu widerlegen, werde ich mal wieder etwas schreiben. Es ist ja auch viel passiert, worüber sich zu schreiben lohnt: die Milka-Schokolade ist diese Woche beim Lidl im Angebot, M. J. ist von dieser Erde abberufen worden und heute morgen habe ich dafür, dass ich eine Speichelprobe abgegeben habe, 7 Euro bekommen. Aber auch die LVZ hat wieder die interessantesten Dinge zu berichten. Wen interessiert es nicht, dass man den Verliebtheitsgrad von Probanden anhand der “international anerkannten Passionate-Love-Skala” ermitteln kann? Wenn man sehr verliebt ist, nimmt man übrigens den Unterschied zwischen süß und bitter kaum wahr, wie renommierte Forscher herausgefunden haben. Weiterhin ist heute zu erfahren, dass flache Strohhüte dieses Jahr der Renner sind und die Hüfttasche ein Comeback erlebt. Experten sehen die Rückkehr der Dauerwelle kommen, möge der Herr uns davor bewahren! Auch im lokalen Bereich ist viel passiert: so können z.B. ab sofort 18 Exemplare des “Pflegehandbuch Leipzig” in der Stadtbibliothek und in allen Stadtteilbibliotheken eingesehen und entliehen werden. Leider wird es dieses Jahr keinen Zeugen-Jehovas-Kongress in Leipzig geben. Dieses unter dem Motto “Wacht beständig!” angekündigte Highlight findet in Berlin statt. “Ein Höhepunkt des Programms seien Berichte und Erlebnisse von Missionaren der Zeugen rund um die Welt.” Und für unsere Blogleser, die noch ein Abendprogramm für Samstag suchen: um 19.30 Uhr tritt im Grassi-Museum das Seniorenkabarett auf. Frohes Wochenende.

Donnerstag, 25. Juni 2009

tempus fugit

Der letzte Blogeintrag ist auf den Tag genau einen Monat her. So lange war niemals Funkstille an dieser Stelle. Ein Jahr Bloggen - und schon ist uns die Puste aus gegangen? Ja, es bröckelt auf dem Schwarzacker, nicht nur von den Wänden. Es werden eifrig Nachmieter gesucht. Dauernd brechen hier fremde Leute ein, die die Traditionslinie, in die sie im Begriff sind sich zu stellen, nicht im Geringsten erahnen, noch zu schätzen wissen. Doch Tradition ist auch immer ambivalent! Das habe ich in der Leipziger Disputation 2009 von Herbert Schnädelbach gelernt. Christoph Markschies wollte unbedingt auf die Tradition stolz sein. Der Philosoph hingegen plädierte für den Respekt vor ihr, weil Respekt die Komplexität und damit die Ambivalenz der Tradition anerkennt und würdigt im Gegensatz zum unkritischen Stolz... Ich schweife ab.

Ein Geburtstag bietet auch immer die Gelegenheit, kurz und verstohlen zurück zu blicken. Damit die Rückschau nicht langweilig wird, ein paar wenige Superlative und die bescheidene Analyse der sonstigen Ergebnisse:












C. ist nach diesem Jahr die unangefochtene Siegerin in puncto Produktivität unter den AutorInnen. D., der sich äußerst selten zu Wort meldete, gewinnt, was das Kommentar-Verhältnis angeht. Die sechs AutorInnen scheinen gewissermaßen eine Zwei-Klassen-Gesellschaft zu spiegeln. Die Oberschicht setzt sich zusammen aus S. und den Hexen. Die Unterschicht aus den beiden Frischlingen (L. & D.) und der Weggezogenen A. Konsequent und hartnäckig geweigert, am kommunitären Reden teilzunehmen, hat sich der gleichnamige M. Folgerichtig wird er auch bei der großen Schwarzackerparty nicht mitfeiern dürfen. Da bleiben wir hart. Sein Mangel an Respekt vor der Tradition verletzt den Stolz der Elite zutiefst.

"So jung kommen wir nicht mehr zu sammen"- und "So schön wird's nie wieder sein"-Hymnen werden auf dem Schwarzacker nur sehr leise gesummt, wenn überhaupt. Die Schwarzackerinnen sind keine Kinder von Traurigkeit. Am 15. Juli 2009 werden alle Gefühlsduseleien ab 20 Uhr in hartem Alkohol ertränkt und der 11er-Hinterhof rockt. Alle Leser und Anverwandte sind herzlich eingeladen, die letzten Momente der Gegenwart und Anwesenheit (fast) aller zu zelebrieren.

Es ist auch an der Zeit, in die Zukunft zu blicken: Die Umfrage ist beendet und das Geburtstagsgeschenk, das die 12 Abstimmenden dem Schwarzackerblog gemacht haben, ist einigermaßen widersprüchlich. Von zehn möglichen Antwortmöglichkeiten gab es zwei Optionen für Unentschlossene (Weiß nicht; Weiß ich echt nicht) und jeweils vier Ja- bzw. Nein-Stimmen-Angebote. Da mehrere Antwortmöglichkeiten zugelassen waren, ist es nicht so leicht, die Ergebnisse zu interpretieren.
Zunächst kann ich die beiden Stimmen für die Unentschlossenen-Option abziehen, denn das sind meine eigenen. Bleiben noch 11 WählerInnen. Ein(e) einzige(r) ist der Meinung, dass eh keiner das Blog liest. Herzlichen Glückwunsch zu so viel Nüchternheit! Hier zeigt sich wohl der einzige Leser oder die einzige Leserin, der oder die der Wahrheit ins Auge blicken konnte. Ich unterstelle hier eine gewisse Antwortkonsistenz und gehe nun für die restlichen Stimmen von zehn WählerInnen aus - die von Extremwerten bereinigte Auswahl.

Fünf Stimmen repräsentieren die Unsterblichkeitsphantasien der Abstimmenden und repräsentieren damit die transzendenzaffine Esoterikfraktion in der Leserschaft - immerhin die Hälfte. Ebensoviele Stimmen bestätigen die Vermutung einer emotionale Leserbindung ("liebgewonnen"). Zwei Abstimmende möchten das Blog gar zur Trennungsschmerzbewältigung nutzen. (Im Rahmen meiner Abschlussarbeit zur Onlineseelsorge kann ich mich Ihnen an dieser Stelle als Austauschpartnerin anbieten.)

Die größte Fraktion, 90 Prozent!, rechnet mit neuen Themen im neuen Leben. Einer solchen Votierung kann sich auch eine kulturpessimistische Protestantin nicht verschließen.
Freilich, die Tradition erlebt immer wieder Abbrüche und Neuaufbrüche - Interpretation, Umdeutung und Weiterentwicklung. Doch die gruppendynamischen Prozesse sind unwiderruflich der Erosion preisgegeben. Ist das Kollektiv, das die Tradition trägt und bewahrt, vollständig entbehrlich? Ich habe viele Fragen, doch an einem Geburtstag soll man auch nicht zu viel lamentieren: Ich gratuliere der virtuellen Jubilarin "Schwarzackerblog" und wünsche ihr für ihr neues Lebensjahr eine neue Vitalität, geprägt von neuen Themen, gewürzt mit einer Prise Nostalgie. Ich bin gespannt und lasse mich überraschen.

Montag, 25. Mai 2009

Fünf Zucker - fünf Milch

Mit der Bahn kommt man rum, zum Beispiel einmal quer durch die Republik: IC Köln-Leipzig, Montag 11:49. Dabei trifft man gelegentlich auch die Reichen und Schönen dieses Landes, da sie von Verspätungen und verpassten Anschlüssen ebenso wenig verschont werden, wie alle anderen: die große Gleichmacherin Bahn.

Auf halber Strecke zwischen Köln und Leipzig, in Hannover, füllt sich der Zug schlagartig. Ich sitze mit einer anderen weiblichen Schönheit an einem Vierertisch, gegenüber versetzt, um der Beinfreiheit Willen. Ein hagerer Herr nähert sich, mit Mühe einen abgewetzten Alukoffer schleppend, sieht auf meine Handtasche, die neben mir den Sitz belegt und fragt eher rhetorisch: „Hier ist doch noch frei?!“ Ich blicke wortlos auf, räume den Sitz leer und will mich gerade wieder dem Eckstein widmen, da sehe ich eine Frau im Stechschritt hinter dem Typen herkommen. Entrüstet zischt sie ihn an, dass er das nächste Mal gefälligst vorsichtig mit seinem Koffer sein solle und mehr aufpassen und Rücksicht nehmen. Er schenkt ihr keinerlei Beachtung und hievt genervt sein verbeultes Gepäckstück auf die Ablage, wo es bei jeder Be- und Entschleunigung des Zuges zwischen zwei Trennwänden pendelt. Die Dame wirkt irritiert, hilflos, geht an ihren Platz zurück. Ist er ihr etwa über den Fuß gefahren? Ich habe nichts gesehen, aber meine geschlechtersolidarische Neigung lässt mich den Kerl sofort als arrogantes Arschloch einstufen. Er hat sich nicht wofür auch immer entschuldigt und auch nicht nachgefragt, was denn passiert sei. Das ist für mich ein schweigendes Eingeständnis.

Kaum fünf Sekunden sitzend, den Laptop aufgeklappt, fragt er mich, was ich dächte, wie lange ich die Steckdose noch benutzen wollte. „Es sind zwei.“, antworte ich. Nun, das war zwar keine Antwort auf seine Frage, aber was wollte ich ihm damit sagen? Etwa, dass wir uns gar nicht um eine Steckdose streiten müssen? Langsam dämmert ihm, was ich meine. Beobachtungsgabe scheint nicht zu seinen Stärken zu gehören.

Der rollende Krämerladen der Bahn nähert sich leise von hinten: Mister Ignorant bestellt Kaffee und quetscht den Pappbecher zwischen unsere beiden Notebooks, wo er bereits sein Mousepad deplatziert hat – ein Buch von Richard David Precht über „Lenin“, der „nur bis Lüdenscheid“ kam. Ich denke, im Zug wäre mir eine Maus, noch dazu mit Pad viel zu umständlich und Platz raubend, noch dazu ein dickes Buch. Eventuell ist ja sein Touchpad defekt, überlege ich entschuldigend. Nun, ein Kaffee kommt selten allein. Mein Nachbar gewinnt die Eigenschaft „exzentrisch“ hinzu. Der Grund sind exakt fünf aufgerissene Milchbecher, die er wie eine Balustrade vor sein Notebook gruppiert, sowie exakt fünf Tütchen Auszugszucker. Alle zehn Behälter werden in den Kaffeebecher geleert.

Das Handy klingelt. Sein Akku macht gleich die Mücke. Leute wie er haben normalerweise Blackberries und jammern nicht über Akklaufzeiten. Er redet von Lesungen und Illner und dass er auf dem Weg „in den Osten“ sei. Das lässt mich aufhorchen. Er lobt Fotostrecken, in denen er eine Erde, nein, eine Handvoll Erde in der Hand habe. Er bedankt sich für eine gelungene Produktion und warnt vor der Veröffentlichung unvorteilhafter Bilder. Eigen-PR scheint er zu beherrschen, wo es ihm berechenbar nützt. Höflich zu Lieschen Müller kann er nicht sein.

Langsam dämmert mir auch, woher ich dieses Gesicht kenne: Ich habe ihn bei Beckmann im Fernsehen gesehen. Die Realität ist enttäuschend. Er entbehrt hier im Unterschichtabteil jeder eloquenten Demut. Vielleicht wirkt die Umgebung auf ihn, wie Blattwerk auf ein Chamäleon. Vielleicht hat er die Anpassung längst perfektioniert. Später am Abend lese ich über sein nächstes Buchprojekt und bin ab da überzeugt, dass ich Zeugin einer Feldstudie im Selbstversuch wurde: „Die meisten Menschen wollen gut sein, sind es aber nicht. Wie kommt das eigentlich?“

Die Buchbranche scheint ihn momentan von Hotelzimmer zu Hotelzimmer zu hetzen. Die Pseudo-Intellektuellen haben schließlich seinen Marktwert entdeckt, ein Philosoph, der dem Volk aufs Maul schaut und auf die Finger. Ich schaue wiederum ihm auf die Finger und entdecke: Sein rechter Zeigefinger bewältigt die komplette Texteingabe. Der linke Zeigefinger wird lediglich zur Betätigung der Shift-Taste gebraucht. Wie kann man Bücher mit anderthalb Fingern schreiben? Meine ganze Bewunderung gilt dieser Technik. Meine ganze Bewunderung gilt am Ende deshalb Richard David Precht, dem ich kurz vor Ankunft seine halbvolle Apfelschorle klaue, nur um seine DNA in meiner Handtasche mit nach Hause nehmen zu können. Naja, eigentlich nur, damit ich darüber dann auch bloggen kann. Eine weitere Inszenierung in diesem Theater.

Samstag, 23. Mai 2009

Alte Blogger

Wie ich heute morgen aus der LVZ erfuhr, ist die älteste Bloggerin der Welt gestorben. Obwohl sie nicht an unserem Blog mitwirkte, sollte diese Mitteilung einen Eintrag wert sein. Die 97jährige Spanierin María Amelia López fing zu ihrem 95. Geburtstag am 23. Dezember 2006 an zu bloggen. “Mit den Geschichten aus ihrem wechselvollen Leben und ihren Ratschlägen an Jung und Alt begeisterte die Internet-Oma Leser auf den fünf Kontinenten.” Ähnlich wie unser Blog. Wir geben übrigens auch Ratschläge, wenn jemand Interesse hat.

Übrigens: Vögel singen unter verschärften Lebensbedingungen noch kunstvoller. Eine Studie an 29 Arten von Spottdrosseln hat das jetzt gezeigt.

Freitag, 22. Mai 2009

Ist ein Blog unsterblich!

Heute habe ich gelernt, dass man in MMORPGS nicht sterben kann, sondern unbegrenzt oft wiederbelebt wird. Dem Avatar sei dann eine Weile übel und er agiere etwas langsamer, doch die Kampffähigkeit sei nur von einem vorübergehenden Schwächezustand verringert. Sehr bald könne man sich zu neuen Levels, Accessoires und Reichspunkten aufmachen.
Der Schwarzackerblog hingegen geht seinem ersten Geburtstag auch ohne bedrohliche Kampfsituation in einem elementaren Schwächezustand entgegen. Dabei hatte es so vielversprechend angefangen. Eine grafische Darstellung soll den Verlauf übersichtlich visualisieren.


Mir ist gerade ein wenig mulmig im Magen, weil ich die Zick-Zack-Linie minutenlang angestarrt habe und sie mir dennoch ein Rätsel blieb. Die Extremwerte im Oktober und November sind nicht plausibel zu erklären. Doch Biographien sind heutzutage von Brüchen geprägt, Einschnitte sind nicht zwingend vorhersehbar. Immer wieder finden sich neu Formen, neue Rituale, neue Abschnittsgefährtinnen. Die Schwarzackerära in ihrer Ursprungsbesetzung geht inzwischen vorhersehbar ihrem Ende entgegen. Ein letztes Aufbäumen gegen diese dunkle Zukunft hielte ich für eine angemessene Reaktion. Ich rufe alle AutorInnen zur digitalen Reanimation auf: Sendet Balladen und Trauergesänge, stimmt Nostalgie-Hymnen und Lobhudeleien an, schwingt Büttenreden und erdenkt Meditationen. Der virtuelle Textraum ist nur noch wenige Wochen geöffnet und wird in diesem Rahmen noch in diesem Sommer für immer geschlossen werden. Kein Blog ist unsterblich, nur die Erinnerung kann uns niemand nehmen. *schluchz*

Sonntag, 3. Mai 2009

Von Schweinen und Menschen

Es ist soweit: Die Schweinegrippe ist nun erstmalig auch bei Schweinen nachgewiesen worden. Interessant. Die kanadischen Schweine haben sich, Zeitungsberichten zufolge, bei ihrem aus Mexiko zurückgekehrten Bauern angesteckt.
In Deutschland scheinen die Menschen trotz einiger aufgetretener Fälle der Erkrankung ruhig zu bleiben. In Bochum allerdings sieht man in der U-Bahn vereinzelt feine ältere Damen, die sich ihr geblümtes Taschentüchlein vor Nase und Mund pressen und beunruhigt um sich blicken. Hat da gerade einer geniest?

Donnerstag, 30. April 2009

Kulturreflexion

Ich bin froh, dass mir meine postabiturielle Erfahrung der französischen Interkulturalität manche Überraschung im Ruhrgebiet erspart hat. Der innerdeutsche Kulturschock war marginal, den Ausländer-, pardon, Migrantenanteil der Bevölkerung hatte ich erwartet, denn woanders ist das so hatte ich gelernt. Ostdeutschland unterscheidet sich in einigen Dingen vom Rest der Welt, eben auch darin. Tief im Westen Türken am Bahnhof, Russen in der U-Bahn, Italiener in der Supermarktschlange, asiatische Läden mit den vielen Gewürzen, der Türke mit dem frischen Gemüse an der Ecke, der alte Marrokaner mit der Wasserpfeife auf der Bank in der Einkaufsstraße, Frauen mit Kopftuch, Frauen ohne und mit Tanga... Manchmal scheint diese Welt absurd, nicht funktionsfähig, zu problematisch. Wo leben wir eigentlich, was daran ist deutsch? Alles? Oder nur die Schlange an der Frittenbude? Ist es wichtig, das zu definieren? Zu viele Fragen, zu ernster Artikel für dieses Blog.
Irgendwie gehört alles zusammen, bereitet Probleme, Unverständnis, aber auch Faszination. Ich ertappe mich bei dem Gedanken, dass ich gern wüsste, warum das dunkelhäutige Mädchen in Deutschland lebt, wie sich der Alte mit der Wasserpfeife hier fühlt und wie es in seiner Heimat aussieht, ob die türkische Mutter unterdrückt wird oder glücklich ist, ob sie die Farben ihrer Heimat und die Sonne vermissen, ob sie die Deutschen mögen...
Ich weiß, wenn ich wieder in Sachsen leben sollte, werde ich das alles vermissen, werde vergeblich frisches Fladenbrot in kleinen nach der weiten Welt duftenden Läden suchen und Kartoffeln essen.

Fritten mit Sommergartensauce

Seit einer Woche wohne, „arbeite“ und esse ich in Aachen. Das liegt aus Schwarzackerperspektive unvorstellbar weit westlich und bietet genug Befremdliches für einen mittelschweren innerdeutschen Kulturschock. Hier ist die Brisanz der Integration unübersehbar deutlich. In der Idylle des Schwarzackers hört man ab und zu mal ein russisches Wort. Obst, Gemüse und Bier werden an der Ecke von einer asiatischen Familie verkauft, über deren genaue Herkunft ich leider keinerlei Kenntnis habe. Doch hier auf dem Adalbertsteinweg gehöre ich im Süpermarket gegenüber zu einer Minderheit und das ist keine Übertreibung. Um mich dem Kleidungsstil der Umgebung minimal anzupassen, trage ich die zurückgelassene Polyesterhose der polnischen Ex-Freundin und vermeide es, um nicht farblich aufzufallen, meine zartostrosa Regenjacke anzuziehen. Ich fühle mich ein wenig fremd in meiner zweiten Haut und gehe wenig vor die Tür.
Heute jedoch scheint erstmals die Sonne und so beschließe ich, bevor ich übermorgen wieder gen Osten fahre, die Innenstadt zu erkunden und irgendwo zu Mittag zu essen. In der Fußgängerzone sehe ich schon von Weitem eine mittelmäßig lange Warteschlange an einem Imbiss. Den Andrang nehme ich als ein Zeichen für Qualität. Vermutlich gibt es dort zwar keine Bananen, aber sicher eine andere seltene Köstlichkeit, für die man sich im Westen in der Mittagspause bereitwillig anstellt. Als ich näher komme, erkenne ich eine Pommes-Bude. Hm, enttäuschend. Reflexartig weiche ich wieder einen Schritt zurück, beobachte das Treiben einige Minuten und rekapituliere, wie lange es her ist, dass ich Pommes gegessen habe: Zugegeben, an D.s Diplomfeier habe ich S. eine Pommes vom Teller geklaut, aber für mich habe ich seit Jahren keine Pommes mehr irgendwo bestellt.
Ich beschließe, mir dieses Diätvergnügen zu gönnen und stelle mich an der inzwischen etwas kürzeren Schlange an. Mir bleibt also nicht viel Zeit, zu überlegen, welche der ca. 25 angebotenen Saucen und Dips ich haben möchte. Mal sehen. Was nehmen denn die anderen? Die Oma vor mir bestellt eine große Portion „Fritten mit Sommergartensauce“. Mmh, das klingt nach leckerem, leichtem Gemüse. Das würde ich auch gerne nehmen, nur kann ich die Sommergartensauce auf den Menütafeln nirgends entdecken. Vielleicht ein Geheimtipp? Doch noch bevor Oma ihre Portion serviert bekommt, werde ich nach meinem Wunsch gefragt. Ich bin überfordert, bestelle eine kleine Portion mit Curryketchup und suche nebenher noch immer vergeblich nach Omas Sauce. Dann bekommt sie ihr Essen: „Einmal Fritten mit Sauerbratensauce!“ Ich hatte mich wohl verhört. Angesichts der rotbraunen Pampe mit fetten Fleischklumpen, die in die Lücken ihres Frittengerüstes hinein rinnt, bin ich erleichtert, ein profanes Ketchup erwischt zu haben, setze mich mit meinem Tütchen auf einen Stein in der Sonne und freue mich über Kalorien für 2,50 €.

Montag, 27. April 2009

Das gemeine Hausschwein...

...verbreitet ja derzeit, wie es uns durch alle Medien mitgeteilt wird, eine fiese Grippe. Zum Glück werde ich durch web.de immer über den neuesten Grippeverbreitungsstand informiert. Eben habe ich gelesen, dass sie derzeit Bielefeld erreicht hat. Vor ein paar Tagen habe ich Bielefeld als Erstwunsch für ein Referendariat in NRW angegeben. Vielleicht hab ich da ja jetzt gute Chancen...

Dienstag, 7. April 2009

Schwarzackerdiplomfeier

Nun ist es wieder einmal soweit. Ein Schwarzackerianer beendete sein Studium und ist nun Diplom-Informatiker. Anlässlich diese Ereignisses lud er die 5 und die 11 in den Minoas-Palast ein. Ein kostenspieliger aber lohnenswerter Abend. Nachdem die 11, wie erwartet, eine halbe Stunde zu spät auftauchte und E. schon gegessen hatte, riefen wir ein Taxi und ließen uns zum Restaurant kutschieren. Eine Art Mafia hieß uns willkommen, geleitete uns ins Hinterzimmer und setzte uns mit unheimlich aussehenden Gestalten an einen Pokertisch. M., der damit gerechnet hatte, reichte seine Pomadedose herum. Eine halbe Stunde später verließen wir, bis auf die Knochen entkleidet, das Haus, besser gesagt, wir wurden hinausgeschmissen, weil L. wieder versucht hatte zu schummeln. D. und S. wurden geteert und gefedert, weil sie Asse im Ärmel hatten und die griechische Mafia nicht wusste, dass das hier normal ist. Also setzten wir uns auf die Straße, L. holte ihre Gitarre heraus und H.-G. sang dazu die schönsten Melodeien. Von dem ersungenen Geld, kauften wir uns Kleider und gingen Essen. So wurde es doch noch ein vollkommener Abend: M. erkannte sein zweites Ich und lernte es lieben, S. und E. konnten wiedermal beweisen, dass sie zwar von Mathe keine Ahnung haben, aber die Begriffe kennen, C. konnte ihre Kette zerreißen, L. konnte ihr neues Kleid tragen und D. durfte zahlen.

Montag, 23. März 2009

Samstag, 21. März 2009

Politik...

...ist auch ein beliebtes Thema auf dem Schwarzacker. Politische Gespräche sind bei uns immer ein willkommener Anlass, unser Halbwissen über Präsidenten aller Länder, Minister und Bundeskanzlerinnen sowie deren Arbeit preiszugeben. Beim heutigen Frühstück wurde die italienische Innen- und Außenpolitik besprochen, das Wirken Putins, die Bundespräsidentenkandidaten von Deutschland wurden ausgewertet, vor allem unter optischen Gesichtspunkten, und auch die Weltpolitik allgemein irgendwie. Doch was passiert, wenn man eigentlich nichts mehr darüber zu sagen hat? Die Männer der Runde begannen sich über eine gutaussehende südamerikanische Polittussi zu unterhalten und kürten Jürgen Trittin zum bestaussehensten deutschen Politiker, während die Frauen das Thema, welcher Politiker bisher am häufigsten verheiratet war und welches Kind aus eigener Zeugung entstand bzw. welches adoptiert wurde erörterten. Fischer ist übrigens zum fünften Mal verheiratet, Schröder erst zum vierten Mal. Doris Schröder-Köpf hat eine Tochter mit in die Ehe gebracht und danach hat das Paar noch ein russisches Mädchen und einen Jungen adoptiert. Damit hätten wir auch das abgesichert. Politik halt.

Donnerstag, 19. März 2009

USF

Der Schwarzacker hat keinen Fernseher mehr. M., der edle Stifter dieses Gerätes, hat beschlossen, dass er in der Zeit, in der er bei sich zu Hause verweilt, auch einen Fernseher in seinem Zimmer braucht. Man kann das ja einerseits verstehen, da er aus dem Erzgebirge kommt, wo man scheinbar nichts anderes tun kann, als fernzusehen. Andererseits können wir ihn jetzt nicht mehr so gut leiden. Eigentlich ist es kein Verlust. Darüber sind wir uns alle einstimmig einig. Wir können uns nämlich auch anders beschäftigen. Jetzt haben wir wieder mehr Zeit, uns zu unterhalten und Brettspiele zu spielen. Zum Tatort laden wir uns einfach bei St?n?s ein. Unsere Serien ziehen wir sowieso aus dem Internet. Die US können wir auch beobachten, wenn wir ein Stück durch unser schönes Stadtviertel spazieren, und dabei kommt man noch an die frische Luft! Es gibt also keine Nachteile, wenn man auf den Fernseher verzichtet. Wir nehmen viel weniger Schrott auf und verblöden seitdem auch merklich weniger. Aber nein, das klingt alles viel zu gut für den Schwarzacker, es gibt hier dennoch keine heile Welt, denn wir haben das Problem auf unsere Weise gelöst. S. geht jetzt einfach immer zum Videoautomaten und holt schlechte Horrorfilme, in denen Teenager sich einfach so zum Spaß abstechen oder Ashton Kutcher intelligenzgemindert ist und komisch läuft. Aber Hauptsache kein USF mehr!

Sonntag, 15. März 2009

Mittwoch, 11. März 2009

Amok

Wir leben in einer gefährlichen Welt. Jüngste Ereignisse lassen vor allem die angehenden Lehrer unter uns ihre Todesursache immer deutlicher vor sich sehen: Tod durch Amokschützen. Die Fälle häufen sich. Selbst Kleinstädte in der ost- und westdeutschen Provinz bleiben davon nicht verschont. Man fragt sich, wieso gerade Lehrer, die selbstlos nur das Beste für die ihnen anvertrauten jungen Menschen wollen, von selbigen hingerichtet werden. Ein Missverständnis? Dann sei ihnen gesagt: Wir (die Lehrer) sind nicht schuld an eurem Versagen, ein bisschen Verantwortung tragt ihr auch selbst für euer Leben, auch wenn ihr es nicht glauben wollt. Und vielleicht haben wir versäumt euch das mitzugeben? Viel wahrscheinlicher ist jedoch, dass ihr wieder nicht zugehört habt...

P.S.: Wenn wir einem von euch helfen können, schreibt uns.

Sonntag, 8. März 2009

Kerze aus - Kerze an

Es wird zwar immer gemeckert, wenn zwei Einträge an einem Tag gepostet werden, aber am internationalen Frauentag, zu dem mir heute noch kein Mensch gratuliert hat, muss ich die Gelegenheit ergreifen, diesen Umstand anzuprangern. Zugegeben, M. ist entschuldigt, da er heute ausnahmsweise Geburtstag hat. Sein Präsentkorb erwartet ihn in seinem Zimmer, wenn er heute von Mutti nach Hause kommt. Ich bezweifle allerdings, dass er den Schwarzackerinnen an ihrem heutigen kollektiven Ehrentag ein adäquates Gegengeschenk machen wird. Er wird vielmehr geblendet von Doppelkeksen, Fleischsalat, Ketchup und Maggi-Toskana-Pulver sein Kerzchen ausblasen und die Tränen der Rührung aus den Augenwinkeln wischen. Wir haben uns den erlesenen Spaß immerhin 2,97 Euro kosten lassen. Für diesen geringen Betrag bekommt man heutzutage vermutlich auch ein bis drei langstielige Rosen, eine Schachtel russische Bitterpralinen oder ein Pfund Cappuccino-Pulver. Da wäre doch für jede etwas dabei. Ich mache mir dennoch keinerlei Hoffnung, dass außer Alice Schwarzer und mir noch jemand an den Frauentag denkt. C. und S. vollenden in diesen Minuten ihre Realitätsflucht per Trickfilmlektüre und L. hat bereits am Mittag beschlossen, dass sich ein Besuch des Schwarzackers heute nicht mehr lohnt. Ich fühle mich unterrepräsentiert und zurückgelassen. Ich werde nun eine Kerze anzünden für die Frauen dieser Welt.

Filme...

...stehlen dem Schwarzacker manchmal ziemlich viel Zeit. Und trotzdem laufen sie immer wieder. Film schauen macht ja auch allen Spaß, verbindet, man kann dabei essen, einige können sogar dabei schlafen und das Schönste, man kann sich danach darüber unterhalten, aufregen, darin für eine Weile in Gedanken leben oder mit Zitaten daraus um sich schmeißen. So will S. jetzt seit Tagen unbedingt einen zackigen Hut, E. ist immer noch wütend auf die Mutter des kleinen Rambows und ich werde im Traum von wütenden Teenagern mit Fackeln verfolgt. D. will die Welt füttern, L. tanzt die Tänze ihrer Tangofilme heimlich im Bad nach und M. versucht sich durch seinen Filmkonsum einen intellektuellen Anstrich zu geben. Auch die meisten unserer Besucher schauen hin und wieder Filme. Während R. aus dem Westen uns mit abgründigen seelenlosen Killern oder Gefängnisinsassen vertraut machen will, vergleicht Se. aus Connewitz das Menschenbild des Filmes “300" mit dem aus “Plötzlich Prinzessin I”. Ohne Filmkonsum würde uns schon einiges fehlen, und es gäbe etliche Pointen weniger auf dem Acker.

Montag, 2. März 2009

Regen und eine verpasste Tram...

... brachten mich vorhin auf dem Nach-Hause-Weg auf die Idee, nach Jahren mal wieder in den REWE an der Oststraße einkaufen zu gehen. Das letzte Mal muss ich da gewesen sein, als der Supermarkt noch "Marktfrisch" hieß. Nun ja, ich weiß nicht, warum ich nie dorthin gehe. Vielleicht liegt es an der Assoziation, die immer mit dem Connewitzer REWE in Verbindung gebracht wird. Wie auch immer, ich bin positiv beeindruckt: Alles ist sehr sauber, hinter dem Gemüse dampft ein kühler Wind heraus, keine schlecht behandelten Verkäuferinnen zu sehen. Während ich weiter vorn in großer Freude die neuste Milka-Sorte entdecke, höre ich eine leicht genervte Verkäuferin, die offensichtlich von einem, sagen wir mal, "sozial Benachteiligten" behelligt wird. Ich erfuhr vor kurzem, dass dieser Ausdruck nicht korrekt sei, weil darin eigentlich mitschwingt, dass eine solche Person keinerlei soziale Kompetenzen hätte. Leider fällt mir der Ersatzausdruck nicht ein. Der würde in diesem Fall besser passen, denn soziale Kompetenz ist der Person eindeutig gegeben. Höflich bittet er die zweite Kassiererin um eine Tüte. Mitleidsvoll entgegenet sie ihm (er ist ihr wohl schon bekannt), ob er eine Plastiktüte meint. Die Antwort löst ein Lächeln mit freundlichem Dankeschön bei der Verkäuferin aus. Ich hingegen analysiere reflexartig, denn nichts anderes tat ich heute den lieben langen Tag, die Merkmale des Ostmitteldeutschen, die diesen reizenden Satz zu einem so wunderbaren Praxisbeispiel machen. "Or, Sie ham so schene Ogen!" Kontraktion bei "haben", Entrundung ö > e bei "schöne", fortschreitende Monophthongierung bei "Augen". Für alle, die im Ostmitteldeutschen nicht so bewandert sind, dürfte der Sinn jetzt nachvollziehbar sein. Nun, trotz des nicht-gewaschenen Eindrucks, den der Herr auf alle im Supermarkt machen musste, finde ich doch, dass man der sogenannten Unterschicht eine gewisse Höflichkeit nicht absprechen kann.
Als ich auf die Schwarzackerstraße komme, fällt mir die Matratze auf dem Gehweg nach mehr als 4 Wochen immer noch ins Auge, erinnert mich an alte Sofas im Eingangsbereich, streitenden Paare im Haus während alle schlafen, eingeschlagene Eingangstürscheiben etc.

Dienstag, 24. Februar 2009

Hilfe, ich werde diskriminiert!

Vor wenigen Tagen wurde ich aus dem Krankenhaus entlassen und wage nun vorsichtig erste Schritte im beschwerlichen Alltag des Schwarzackers ohne ärztliche Fürsorge und Kontrolle. Die erste große Hürde - die Umstellung meines stationären Biorhythmus - habe ich erfolgreich bewältigt. Ich wache ohne Wecker halb neun, statt 5 Uhr auf und beginne gegen halb zehn meinen Rundgesang unter der Dusche. In meinem ganzheitlichen anthropologischen Selbstkonzept lasse ich „meine Seele singe[n]“ und starte „wohlauf“ gut drauf in den Tag. Die eingängige Gute-Laune-Melodie verschafft den Wand an Wand Angesiedelten jedoch derart hartnäckige Ohrwürmer, dass ihre Wirkung ins Gegenteil umschlägt und noch vor deren Aufstehen schlechte Laune bewirkt und damit eine denkbar schlechte Verhandlungsbasis für die eventuelle Putzbefreiung, die ich anstrebe. Hm, wenigstens eine Sportbefreiung habe ich diskussionslos von meiner Ärztin bekommen. Alkohol ist momentan leider strikt verboten. Tilidin, mein geschätztes Opioid, würde sich darin suhlen und zu ungeahnten Wirkstärken angespornt werden. Das möchte jedoch niemand auf dem tristen Schwarzacker riskieren. Am Ende würde meine gute Laune noch zu einer ausgewachsenen Manie mutieren. Meine geschätzten flat mates lassen in diesem Punkt nicht mit sich reden. Stattdessen lassen sie keine Gelegenheit aus mich kontinuierlich und ausführlich auf meine körperlichen Dysfunktionen hinzuweisen und mich zu beschämen. Sie wollen damit bewirken, dass ich weniger singe.

Samstag, 21. Februar 2009

Hunger

Ein berühmter Mensch hat einmal gesagt "Wer nicht arbeitet soll auch nichts essen". Ich bin nun aber in der Endphase meiner Diplomarbeit, so dass sich die Zahl der Stunden, die ich täglich arbeite im zweistelligen Bereich liegt. Daraus kann man schlussfolgern, dass ich auch Hunger haben darf und viel E S S E N!!!!! Da die Bibliothek heut nicht so lange aufhat, werd ich schon gegen 19 Uhr nach hause kommen, wenn also jemand auf dem Schwarzacker das bis dahin liest und Erbarmen mit mit hat, bereite er doch bitte ein schönes Abendessen vor! Wenn wirs bissl später machen, wird L. auch wieder von ihrer Arbeit zurück sein!

Dienstag, 17. Februar 2009

Schreibblockade

Hallo liebe Schwarzacker-Freunde.
Seit langem denk ich darüber nach, euch mal wieder an meiner Weisheit teilhaben zu lassen und mich hier im Blog auszulassen. Ich sitz grad in der Bibliothek und "versauere". Wie es jedem großen Schriftsteller und Poeten irgendwann mal gehen muss, geht es mir gerade. Ich sitze vor einem Abschnitt und weiß nicht, was ich schreiben soll. Eine Stunde vergeht, zwei Stunden, drei... und kein Buchstabe mehr füllt das Blatt.
Es scheint wie ein Krampf in den Fingern zu sein, der es mir nicht erlaubt, einen Buchstaben zu drücken. (Das Bedienen der Maus zum durchsurfen des Internets als Ablenkungsmanöver klappt natürlich noch einwandfrei!!!)
Oft versucht man die ganze Sache zu beschönigen und totzureden, aber nun ist gerade der Punkt gekommen, an dem es ausgesprochen werden muss. Das sind die deutlichen Anzeichen einer "Schreibblockade" und wir alle wissen, dass in einem solchen Fall dringend ärztliche Hilfe aufgesucht werden muss. Doch für solche Maßnahmen bleibt mir keine Zeit. Die Uhr tickt gegen mich, es sind nur noch wenige Tage Zeit und dann zählt keine Schokolade als Ausrede, dann müssen Ergebnisse stehen.
Darum will ich schnell den unterhaltsamen Arktikel beenden und mich der Verfassung des Wissenschaftlichen widmen. In der Hoffnung, dass das Verfassen dieser Zeilen auch die Schreibblockade gelöst hat.

Sonntag, 15. Februar 2009

Nachruf

Ganz still und leise, ohne ein Wort.
gingst du von deinen Lieben fort.
Hab tausend Dank für deine Müh',
vergessen werden wir dich nie.

Heute in den Morgenstunden ging Eschaton nach harten Stunden des Kampfes von uns. Wir werden das possierliche kleine Tierchen nie vergessen, und danken ihm für die Freude und die Zuwendung, die er in den letzten Jahren in unser aller Leben gebracht hat. Er lässt viele Freunde zurück und ging nun als letzter von seinen 51 Geschwistern schließlich auch.

Die Trauerfeier findet heute nachmittag im Stötteritzer Wäldchen statt. Nähere Informationen dazu gibt es direkt über die Schwarzackerhotline.

In tiefer Trauer,
der Schwarzacker C, D, E, L, M, S, die ehemaligen A, S, T und alle Freunde.

Wenn Liebe eine Leiter wäre,
und Erinnerungen die Stufen,
würden wir hinaufsteigen
um Dich zu uns zurück zu holen.

Freitag, 13. Februar 2009

Zusatzqualifikationen

Putzfrauen heißen heutzutage Gebäudemanagerinnen (GM). Putzfrauen in Krankenhäusern erwerben aufgrund des spezifischen Arbeitsmilieus eine gewisse medizinische Qualifikation. Die GM von Station Eins hat jedenfalls enorme Kenntnisse und eventuell eine große Familie. Woher ich das weiß? 6:30 werde ich hier buchstäblich aus dem Bett geworfen, denn dann müssen die Kissen aufgeschüttelt werden. Die ärztliche Visite kommt gegen 8:00. Dazwischen bleibt genug Zeit, dass mindestens einmal die GM hereinschneit, um ihre Morgendiagnose zu stellen. Meine gegenüberliegende Bettnachbarin hat von der Infusion einen Ausschlag bekommen und klagt über Juckreiz an der Einstichstelle. Die GM wirft kurz einen prüfenden aber geübten Blick auf die Armbeuge: „Ganz klar, das ist eine allergische Reaktion auf einen Bestandteil der Infusionsflüssigkeit. Das hatte meine Schwägerin auch. Lassen Sie sich aus dem Schwesternzimmer einen Kühlakku geben und fragen Sie nach einer Salbe. Und sagen Sie bei der Visite, dass Sie die Infusion nicht vertragen haben.“, sprach sie und hatte nebenbei das komplette Zimmer feucht gewischt. Meine Mitbewohnerin im Nebenbett hat Beulen von den Infusionen bekommen. Auch hierauf weiß die GM einen Rat: „Da ist die Infusion ins Gewebe gelaufen. Hat die Schwester wohl daneben gestochen. Immer schön die Beule massieren. Das hat bei mir seinerzeit auch geholfen.“ Sie wischt inzwischen das Bad. Die Reinigungsarbeiten sind abgeschlossen. Sie schaut mich fragend an. Vielleicht sollte ich ihr meinen eingewachsenen Zehennagel hinhalten oder mein zugeschwollenes Auge oder ich zeige ihr vielleicht die eine Backenzahnplombe, die immer zieht, wenn ich Schokolade esse. Ich bin jedoch verunsichert, ob der Wissenserwerb auf einer orthopädischen Station umfangreich und breit genug ist, um chirurgische, ophthalmologische oder odontologische Probleme zu lösen. Deshalb ignoriere ich ihren erwartungsvollen Blick und wünsche ihr einen schönen Tag. Zehn Minuten später kommt die ausgewiesen fachkompetente Visite und stellt mich vor die vollendete Tatsache eines formschönen Bandscheibenvorfalls. Ich will nach Hause.