Donnerstag, 12. Februar 2009

Miez, miez, miez

Nein, ich lausche nicht. Ich bin seit nunmehr drei Tagen unfreiwillig integrativer Bestandteil der Privatsphäre zweier Mittfünfziger. In einem Dreibettzimmer, in dem sich zwei mittelmäßig Schwerhörige unterhalten, liegt die größte Herausforderung eher in der Fähigkeit, wegzuhören. Da ich jedoch melodic metal im Ohr nur für wenige Stunden aushalte, komme ich während der Metal-Pausen in den Genuss des, ich nenne es mal geriatric screaming – eine Geräuschkulisse der besonderen Art. (Ich sehe schadenfrohe Gesichter vor den Blog-Bildschirmen.) Glücklich preisen kann ich mich dennoch aus zwei Gründen: Im USF-Bereich kann mich nach mehrjähriger Abhärtung auf dem Schwarzacker wahrlich nichts mehr schocken. Darüberhinaus bin ich die einzige Zimmerbewohnerin, die in der Lage ist, die Fernbedienung handzuhaben. Sie wird von der Nachbarin zunächst fälschlicherweise für mein Handy gehalten und deshalb auf meinem Nachttisch platziert. Erster schwerer Fehler. Beide Mitbewohnerinnen fühlen sich auch nach erfolgter Aufklärung nicht ausreichend kompetent, die gerade mal sechs Funktionstasten zu überschauen (power; lautlos; zwei Lautstärkeregler und zwei Kanalwahltasten). Eine Millisekunde kommt die Lehrerin in mir in Versuchung, ihrer Großelterngeneration die nicht einmal moderne Technik didaktisch nahezubringen. Doch dann werde ich mir meiner einmaligen Chance bewusst, mich als alleinige TV-Diktatorin zu behaupten, denn auch inhaltlich befinden sich die Fernsehgeschmäcker im Mikrokosmos von Zimmer Drei in einem brennenden Generationenkonflikt. Anfangs bin ich noch überzeugt, die Greisinnen unterhielten sich über ihre schweren Lebensschicksale (Krebs, Scheidungen, Herzleiden, Unfälle). Aber nein, bei längerem Nicht-Weghören erkenne ich Symptome schwer Lektüreschäden durch öffentlich-rechtlichen Serienkonsum. Am Abend wird nach dem 19:30 Schnulzenformat standardmäßig mit den Ehemännern telefoniert. Zutiefst betroffen analysieren die Partner miteinander den Serienfortgang. So schlimm, so dramatisch wie heute Abend sei es wirklich lange nicht gewesen, die arme Diana*, und die gemeine Barbara** (*/** Namen frei erfunden). Einer der Ehemänner holt zum Trost die Katze an den Apparat, woraufhin die Patientin laut zu schnurren und zu miauen anfängt. Eine großzügige Metal-Dosis verhindert psychische Schäden meinerseits. Erkenntnis: Selbstmedikation sichert im Krankenhaus das Überleben. Ich verabreiche vorläufig keine weiteren TV-Sendungen und verstecke die Fernbedienung in meiner Handy-Tasche.

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