Donnerstag, 30. April 2009

Fritten mit Sommergartensauce

Seit einer Woche wohne, „arbeite“ und esse ich in Aachen. Das liegt aus Schwarzackerperspektive unvorstellbar weit westlich und bietet genug Befremdliches für einen mittelschweren innerdeutschen Kulturschock. Hier ist die Brisanz der Integration unübersehbar deutlich. In der Idylle des Schwarzackers hört man ab und zu mal ein russisches Wort. Obst, Gemüse und Bier werden an der Ecke von einer asiatischen Familie verkauft, über deren genaue Herkunft ich leider keinerlei Kenntnis habe. Doch hier auf dem Adalbertsteinweg gehöre ich im Süpermarket gegenüber zu einer Minderheit und das ist keine Übertreibung. Um mich dem Kleidungsstil der Umgebung minimal anzupassen, trage ich die zurückgelassene Polyesterhose der polnischen Ex-Freundin und vermeide es, um nicht farblich aufzufallen, meine zartostrosa Regenjacke anzuziehen. Ich fühle mich ein wenig fremd in meiner zweiten Haut und gehe wenig vor die Tür.
Heute jedoch scheint erstmals die Sonne und so beschließe ich, bevor ich übermorgen wieder gen Osten fahre, die Innenstadt zu erkunden und irgendwo zu Mittag zu essen. In der Fußgängerzone sehe ich schon von Weitem eine mittelmäßig lange Warteschlange an einem Imbiss. Den Andrang nehme ich als ein Zeichen für Qualität. Vermutlich gibt es dort zwar keine Bananen, aber sicher eine andere seltene Köstlichkeit, für die man sich im Westen in der Mittagspause bereitwillig anstellt. Als ich näher komme, erkenne ich eine Pommes-Bude. Hm, enttäuschend. Reflexartig weiche ich wieder einen Schritt zurück, beobachte das Treiben einige Minuten und rekapituliere, wie lange es her ist, dass ich Pommes gegessen habe: Zugegeben, an D.s Diplomfeier habe ich S. eine Pommes vom Teller geklaut, aber für mich habe ich seit Jahren keine Pommes mehr irgendwo bestellt.
Ich beschließe, mir dieses Diätvergnügen zu gönnen und stelle mich an der inzwischen etwas kürzeren Schlange an. Mir bleibt also nicht viel Zeit, zu überlegen, welche der ca. 25 angebotenen Saucen und Dips ich haben möchte. Mal sehen. Was nehmen denn die anderen? Die Oma vor mir bestellt eine große Portion „Fritten mit Sommergartensauce“. Mmh, das klingt nach leckerem, leichtem Gemüse. Das würde ich auch gerne nehmen, nur kann ich die Sommergartensauce auf den Menütafeln nirgends entdecken. Vielleicht ein Geheimtipp? Doch noch bevor Oma ihre Portion serviert bekommt, werde ich nach meinem Wunsch gefragt. Ich bin überfordert, bestelle eine kleine Portion mit Curryketchup und suche nebenher noch immer vergeblich nach Omas Sauce. Dann bekommt sie ihr Essen: „Einmal Fritten mit Sauerbratensauce!“ Ich hatte mich wohl verhört. Angesichts der rotbraunen Pampe mit fetten Fleischklumpen, die in die Lücken ihres Frittengerüstes hinein rinnt, bin ich erleichtert, ein profanes Ketchup erwischt zu haben, setze mich mit meinem Tütchen auf einen Stein in der Sonne und freue mich über Kalorien für 2,50 €.

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