Donnerstag, 23. Juli 2009

Sex oder Religion – Grenzen der freien Entfaltung

Nachdem wir nun die Party ohne größere Personenschäden überstanden haben und C.s Tage auf dem Schwarzacker gezählt sind, ist hier eine seltsame Stimmung eingekehrt. Die letzten gemeinsamen Stunden erachten wir als so kostbar, dass wir einhellig beschließen, sie nicht mit dem kollektiven Konsum von USF zu verbringen. Wer jetzt aber hofft, der Schwarzacker sei endlich zu seinem Intellekt angemessenen abendlichen Diskussionsrunden bei Wein und Pfeife in der Küche versammelt, der irrt. Wir haben lediglich das Fernsehprogramm gewechselt und USF gegen gesellschaftskritische Reportagen getauscht – der größtmögliche Kompromiss der examinierten Weiber. Thematisch bilden wir uns zunächst zur Problematik der Winterhoffschen Tyrannen-Kinder weiter. Wir lernen, dass es intuitiv richtig ist, Nudeln auf der blanken Tischplatte auszubreiten, für den Fall, dass die Töchter sich weigern, den Tisch zu decken. Ein Vater im Film fragt sich, ob es denn gut sei, Kindern Grenzen zu setzen und sie durch Erziehung in ihrer Entfaltung einzuengen – zum großen Unglück ist er von Beruf Psychiater. Ein drittes Elternpaar lebt zwar getrennt, teilt aber die Meinung, dass das Töchterchen ruhig bei allen Kerlen der Welt übernachten darf, weil „offn un ährlüsch is rischdisch!“ Stillschweigend teilen wir den Gedanken an unsere behütete fromme Kindheit und Jugend.
Das Bildnis einer gefallenen Welt gewinnt an Plastizität durch die darauffolgende Sendung zum Pornokonsum von 10-14-Jährigen. Wenigstens entfährt einer 13-jährigen, die nicht mehr zählen kann, mit wie vielen Jungs sie schon geschlafen hat, (auch, weil sie meistens betrunken fern gesehen hat, während sie „ihn machen“ ließ), sie bewundere die Mädchen, die sich bis 17 oder 18 mit ihrem „Ersten Mal“ Zeit lassen. Dass Keuschheit einem Bewunderung einbringt ist mir neu. Da hat Dr. Sommer wohl seine Strategie geändert. Ich hab aber auch schon lange nicht mehr Bravo gelesen.
Gleichzeitig befällt mich Panik: Wie soll ich ohne religiöse Indoktrination meine Kinder je davor bewahren, Pornographie süchtige Tyrannen zu werden? R. sagt, dass sich jede Generation an die ihr gestellten Herausforderungen anpassen könne. Aber wer weiß schon, was die Herausforderungen von Zehnjährigen in zehn Jahren sein werden? Ich muss mal darüber nachdenken, ob es angesichts der vielbeschworenen „Zeiten, die immer schlimmer werden“, nicht klug ist, wenn überhaupt, dann so bald wie möglich Kinder zu bekommen. Ich werd mal die 10-Jährigen von heute befragen, was man dazu alles benötigt.

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