Montag, 24. August 2009

Gesucht: Muslimische Jungfrau aus Deutschland.

Zugfahren beschert mir hin und wieder einzigartige Einblicke in die Untiefen unserer multikulturellen Gesellschaft. Von der GamesCom in Köln fuhre ich gestern nach Aachen, eine Stunde RE1 am Nachmittag, dürftig klimatisiert, vollbesetzt.
Schon als ich mich für meinen Sitzplatz entscheide, fällt mir ein dünner, braungebrannter Mann auf, der ein zart rosa Hemd trägt. Er beobachtet mich mit einem starren Blick, wie ich durch den Gang stolpere und mich schließlich zwei Reihen vor ihn setze. Während der folgenden Stunde darf ich dem gut verständlichen Zuggespräch zwischen ihm und seiner zufälligen Zugbekanntschaft, einem 23-jährigen Studenten aus Köln beiwohnen. Beide haben sich soeben als Iraner bekanntgemacht und nutzen den angenehmen Zufall des deckungsgleichen Migrationshintergrunds zu einem Schwätzchen auf Deutsch. Den rosa Mann, den ich auf mindestens Mitte dreißig schätze, nenne ich Haschem. Zu dem muskulösen, gepflegten Studenten, der ein wesentlich besseres Deutsch spricht, passt der Name Ali. Ali ist in Deutschland geboren und aufgewachsen. Sehr zur Verwunderung Haschems ist er jedoch mit seinen 23 Jahren weder verheiratet, noch Vater vieler Kinder. Ali ist überzeugt: Seine Traumfrau muss zwar auch in Deutschland aufgewachsen sein, jedoch eine fromme Muslima und auf jeden Fall Jungfrau. Haschem pflichtet ihm bei und meint, er habe seine Frau im Iran gekauft. 31.000 Euro habe ihn das gekostet, mit der Hochzeit insgesamt 70.000. Ali hat sicher noch nicht so viel gespart. Haschem predigt eindringlich: "Jungfrau muss sein. Hörst du?! Das ist das Allerwichtigste. Und wenn sich dann nach der Hochzeit herausstellt, dass sie nicht Jungfrau war, Vater muss zweimal Brautpreis bezahlen." Ali nickt: "Es ist aber auch sehr schwer hier in Deutschland eine gute Frau zu finden. Die sind alle so beeinflusst durch die Medien, das Fernsehen und so weiter. Und außerdem: Wenn eine Frau schon mehrere Beziehung hatte, dann kann sie den Mann besser einschätzen, dann hat sie Erfahrung." Haschem: "Ja, das ist nicht gut. Es ist sehr schwer hier in Deutschland. Deshalb habe ich Frau in Iran geholt." Ich steige aus.

Andere Szene: Erst letzte Woche schnappte ich einen Gesprächsfetzen zwischen zwei arabischen Typen vorm Supermarkt auf, denen die Erleichterung ins Gesicht geschrieben stand und die einander auf die Schulter klopften, weil sie nicht mehr arbeitslos waren. Ich freute mich über ein winziges Zeugnis von Integration und war stolz auf mein Heimatland.
Mit der Zugszene im Kopf, wird mir auch eine Schattenseite klar: Diese ehrwürdige Toleranz bringt auch mit sich, dass man offensichtlich in einem mehrheitlich von Europäern besetzten Zugabteil in verständlichen, klaren Worten Frauen diskriminieren kann, ohne irgendeinen Einspruch befürchten zu müssen. Soll ich darauf etwa stolz sein?

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